Nun haben Forscher des Max-Delbrück-Centrums für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft (MDC) und von der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) in München die Mechanik zellulärer Bewegungen genauer untersucht und ein mathematisches Modell entwickelt, das die dabei wirkenden Kräfte erfassen kann. Die Untersuchungsergebnisse enthalten neue Erkenntnisse für die Entwicklungsbiologie und potenzielle Krebstherapien.
Die Zellmigration ist ein fundamentaler Vorgang, der insbesondere in der Entwicklung eine wesentliche Rolle spielt, wenn sich Zellen in ihren Zielzelltyp ausdifferenzieren und zum Zielgewebe bewegen. Auch bei der Wundheilung bewegen sich Zellen, und Krebszellen metastasieren im Körper, indem sie zum nächstgelegenen Blutgefäß migrieren.
"Mit dem mathematischen Modell, das wir entwickelt haben, können Forscher nun vorhersagen, wie sich verschiedene Zellen auf unterschiedlichen Substraten verhalten werden", erläutert Prof. Martin Falcke, der die AG für mathematische Zellphysiologie am MDC leitet und mitverantwortlich für die Untersuchung war. "Wenn wir diese grundlegenden Bewegungen im Detail verstehen, haben wir möglicherweise neue Ansatzpunkte, an denen wir Tumormetastasen unterbinden können."
Die neuen Erkenntnisse sind der Zusammenarbeit experimenteller Physiker an der LMU mit theoretischen Physikern des MDC zu verdanken. Erstere untersuchten unter der Leitung von Prof. Joachim Rädler, wie schnell sich über 15.000 Krebszellen auf engen Bahnen auf einer teils stark, teils schwach haftenden Oberfläche bewegten. So konnten sie beobachten, was passiert, wenn eine Zelle von einem Abschnitt mit bestimmten Haftungseigenschaften auf einen Abschnitt mit anderen Eigenschaften übergeht, was den dynamischen Bedingungen im Organismus nahekommt.
Falcke und Behnam Amiri, einer der Co-Erstautoren der Studie und Doktorand in Falckes Arbeitsgruppe, entwickelten anhand der umfangreichen gesammelten Daten eine mathematische Gleichung, die die Faktoren der Zellbeweglichkeit einschließt.
"Frühere mathematische Modelle, welche die Migration und Beweglichkeit von Zellen zu erklären versuchen, sind hochspeziell, lassen sich also nur auf einzelne Merkmale oder Zelltypen anwenden", so Amiri. "Wir wollten dagegen ein möglichst einfaches und allgemeingültiges Modell schaffen."
Der Ansatz funktionierte sogar besser als erwartet: Das Modell entsprach den an der LMU gesammelten Daten und traf auch auf Messungen zu, die in den letzten 30 Jahren für diverse andere Zelltypen durchgeführt wurden. "Das ist spannend", freut sich Falcke. "Selten hat man eine Theorie, die eine derart große Bandbreite an experimentellen Ergebnissen bestätigt."
MEDICA.de; Quelle: Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft