Im Interview mit MEDICA.de spricht Prof. Martin Fussenegger über das implantierbare Tattoo, das Krankheiten schon sehr früh sichtbar machen kann, und darüber, warum ein solcher Ansatz zur Früherkennung für die Gesundheitssysteme besonders sinnvoll ist.
Herr Prof. Fussenegger, wir sprechen über ein Implantat, das die Früherkennung von Krebs unterstützen soll. Wie kann man sich dieses Implantat vorstellen?
Prof. Martin Fussenegger: Unser Implantat, wir sprechen hier auch von einem Tattoo, besteht aus menschlichen Zellen, die wir dahingehend modifiziert haben, zwei Funktionen zu erfüllen: Erstens messen sie ständig den Calcium-Wert im Blut. Zweitens, wenn dieser Wert über längere Zeit erhöht ist, produzieren sie ein Enzym, das die Aminosäure Thyrosin in Melanin umwandelt, also das Pigment, das auch die Bräunung der Haut durch Sonneneinstrahlung verursacht.
Diese Zellen werden in Algengelatine verkapselt. Diese Kapseln haben etwa einen halben Millimeter Durchmesser und werden in eine Zwischenhautschicht gespritzt. Über Fibroblasten, die von außen die Gelatine-Kapsel bedecken, verbinden sie sich mit dem Blutkreislauf.
Wenn der Calcium-Wert dauerhaft erhöht ist, produzieren die Zellen in dem Tattoo Melanin. Dadurch wird durch die Haut ein dunkler Fleck sichtbar. Wir kennen mehr als 300 verschiedene Krebsarten und rund 40 Prozent von ihnen verursachen einen erhöhten Calcium-Wert im Blut, der beim gesunden Menschen sehr genau reguliert wird. Damit kann dieses Implantat eine ganze Bandbreite von Krebsarten detektieren, unter anderem die vier häufigsten Arten, also Brust-, Darm-, Prostata- und Lungenkrebs.
Was hat zu dieser Entwicklung geführt?
Fussenegger: Für uns gab es zwei Beweggründe: Einerseits ist es für viele Menschen noch immer eine große Überwindung, zur Früherkennung zu gehen, sei es aus Angst vor dem Ergebnis oder aus anderen Gründen – wenn wir ehrlich sind, machen wir das alle nicht gerne.
Andererseits gibt es ja auch längst nicht für alle der mehr als 300 Krebsarten eine Früherkennung. Also müsste es eine Technologie geben, mit der wir weite Teile des Krebsspektrums detektieren können, ohne dass wir hunderte von Untersuchungen durchführen.
Das gilt aber auch für andere Krankheiten, die eine lange Zeit zur Entwicklung brauchen, wie zum Beispiel neurodegenerative Erkrankungen wie Alzheimer oder Parkinson. Krebs war in unserer Machbarkeitsstudie unsere Modellkrankheit, aber wir glauben, dass wir das Implantat mit verschiedenen Biomarkern vernetzen und so auch andere Erkrankungen detektieren können.