Wie zuverlässig ist dieser Algorithmus derzeit?
Remmele: Derzeit erreichen wir eine Genauigkeit von etwa 75 Prozent, das heißt 75 Prozent aller Bilddatensätze werden der richtigen Klasse zugewiesen. Seit Sommer 2017 läuft jetzt eine Arbeit, die auf die weitere Verbesserung dieser Quote insbesondere durch eine bessere Vorverarbeitung dieser Daten abzielt. Hier gibt es aus der aktuellen Forschung viele Aspekte, die wir implementieren können, aber wir müssen auch vieles neu erfinden, weil wir mit einem sehr heterogenen Datensatz arbeiten.
Wie wollen Sie jetzt noch weiter an diesem Thema arbeiten?
Remmele: Wir müssen auf jeden Fall die Methoden auf unsere Fragestellung anpassen, um die Genauigkeit unseres Algorithmus deutlich zu erhöhen, damit er alltagstauglich wird. Außerdem müssen wir herausfinden, ob wir bei einer binären Unterscheidung zwischen auffälligen und unauffälligen Befunden bleiben oder ob wir so etwas wie Wahrscheinlichkeiten angeben. Dann, glaube ich, könnten wir noch deutlich mehr Verbesserung und Zeitersparnis für die Radiologen erzielen, wenn wir die Daten nicht nur klassifizieren, sondern auch aufzeigen könnten, an welcher Stelle im Datensatz der Algorithmus Auffälligkeiten gefunden hat.
Und natürlich wollen wir den Algorithmus auch gerne in die IT der Radiologie implementieren. Dafür suchen wir zur Zeit Industriepartner. Außerdem erhalten wir weitere Daten von einem städtischen Krankenhaus und einer Universitätsklinik. Diese werden auch mehr Heterogenität in unseren vorhandenen Datensatz bringen, womit wir unter anderem einen besseren Trainingseffekt erzielen wollen. Auch die Radiologie unterstützt uns weiter, was bemerkenswert ist, da sie keinen Forschungsauftrag haben, wie ein Universitätskrankenhaus. Aber Commitment dieser Art wird dieser Forschungszweig in Zukunft dringend brauchen. Wenn wir Lösungen für niedergelassene Ärzte entwickeln wollen, brauchen wir deren Daten.
Welchen Stellenwert hat maschinelles Lernen heute in der Medizintechnik?
Remmele: Unter dem Begriff "computer-aided diagnosis" werden bereits von verschiedenen Herstellern Lösungen angeboten, die maschinelles Lernen im Bereich der Bildgebung anwenden auch für die Neurologie. Auch im Screening-Bereich, zum Beispiel für Brustkrebs und Lungenkrebs, existieren Tools, die Klassifizierungsalgorithmen aus dem maschinellen Lernen einsetzen. Erste Produkte werben auch mit Deep Learning, das zur Segmentierung von Bildern eingesetzt wird. Diese Produkte werden heute in erster Linie in spezialisierten Zentren und Universitätskliniken, zum Beispiel für die Tumorverlaufskontrolle eingesetzt.