Dr. Christoph Herold: Im Prinzip handelt es sich bei unserer Methode um eine Bewertung des Immunsystems. Wir können nicht prüfen, welches Bakterium sich genau im Blut befindet. Aber wir sehen, ob überhaupt etwas vorhanden ist, das das Immunsystem dazu veranlasst, dagegen zu kämpfen. Ein großer Vorteil ist, dass wir eine sehr geringe Blutmenge benötigen. Dabei ist zu beachten, dass der Test relativ zeitnah erfolgen sollte. Für unsere Forschung haben wir zum Beispiel nur bis zu zwei Stunden altes Blut gemessen. Das ist deswegen der Fall, weil wir Aussagen über die Zellen in ihrem noch lebendigen Zustand treffen möchten. Nach mehreren Tagen Lagerung könnten eventuell Informationen verloren gehen. Der Test soll jedoch hauptsächlich bei schweren Infektionen eingesetzt werden, bei denen die Laborergebnisse im Normalfall so schnell wie möglich vorliegen müssen. Die zeitnahe Testung des Bluts ist also allein durch diese Tatsache schon gewährleistet.
Wie sehen die medizinischen Anwendungsmöglichkeiten aus?
Herold: Wir möchten mit unserer Technologie zum einen etwas über den Schweregrad, und zum anderen über die Art der Infektion herausfinden – also ob sie bakteriellen oder sogar viralen Ursprungs ist. Unsere Hoffnung basiert darauf, dass wir mit Hilfe dieser Methode eine Aussage darüber treffen können, ob bestimmte Immunzellen im Blut sich im Zustand der Aktivierung befinden. Die Zellen verändern sich in ihren mechanischen Eigenschaften – Festigkeit oder Größe –, woran wir den Immunstatus des Patienten ablesen können. Wir könnten zum Beispiel sehen, ob er kurz vor einer Sepsis steht, bei der das Immunsystem auf eine Infektion komplett überreagiert. Auch die Kontrolle von Behandlungsverläufen bei beispielsweise Leukämien zählt zu den möglichen Anwendungen.
Klaue: Bislang handelt es sich noch um ein reines Forschungsgerät. Das Ziel ist aber, von der Grundlagenforschung zur Entwicklung eines Medizinproduktes zu kommen. Unsere Vision ist ein Bluttest, der ein erweitertes Blutbild – wir nennen es auch mechanisches Blutbild – erlaubt. Eine Anwendungsmöglichkeit wäre zum Beispiel der Test, ob ein bestimmtes Antibiotikum die gewünschte Wirkung zeigt und der Arzt seine Therapie anpassen kann, bis der Erreger nachgewiesen ist. Das dauert im Moment teilweise drei Tage, was bedeutet, dass die Patienten in der Zwischenzeit mit Breitbandantibiotika behandelt werden müssen. Die Methode soll also nicht nur zur Diagnostik, sondern auch zur Überwachung genutzt werden.
Welches Entwicklungspotenzial sehen Sie in Ihrer Methode?
Klaue: Wir sind noch Jahre davon entfernt, bis unsere Vision Realität wird und der AcCellerator für den täglichen Gebrauch in ein Krankenhaus gestellt werden kann. Dazu gehören noch viel Forschungsarbeit, klinische Studien, die Erfüllung von Richtlinien für Medizinprodukte und die Auseinandersetzung mit Krankenkassen bezüglich der Kostenerstattung. Der nächste Schritt für uns als Entwickler ist der Einbau eines Sortiermechanismus' in unser Gerät. Damit sollen nach der mechanischen Messung die weichen und steifen Zellen sortiert werden. Falls sich eine Art Zellen beispielsweise besser für Blutzelltransplantationen eignet, ist solch eine Sortierung natürlich eine große Hilfe. Von Seiten der Anwender gibt es sicherlich zahlreiche Möglichkeiten – vielleicht viel mehr als wir uns heute vorstellen können.