Auch Studierende der Universität Witten/Herdecke profitieren von seinem Wissen. Wir haben Herrn Mennigen zu seinem Thema "Psychologische Aspekte von Hochleistungsteams" im Vorfeld interviewt und bereits erste Erkenntnisse aus der Sicht eines klinischen Psychologen und Leistungssportlers auf psychologische Aspekte von Leistung und Gesundheit im Teamsport gewinnen können.
Herr Mennigen, im vieldiskutierten biopsychosozialen Modell der Sportmedizin werden Krankheit und Gesundheit und damit auch "Performance" nicht als ein physiologischer Zustand definiert, sondern als ein dynamisches Geschehen. Wie sehen Sie diesen Ansatz als ehemaliger Spitzensportler und klinischer Psychologe?
Florian Mennigen: Sowohl aus sportlicher als auch psychologischer Perspektive kann ich dieser Sichtweise nur zustimmen. Leistung entsteht aus der komplexen Wechselwirkung von individuellen körperlichen, psychologischen und sozialen Faktoren. Wenn ich psychisch nicht gut drauf bin, wirkt sich das auch auf die körperliche Leistungsfähigkeit aus und umgekehrt. Aus der Arbeit mit Sportlern und aus meiner eigenen sportlichen Erfahrung habe ich aber den Eindruck, dass diese Sichtweise zum Beispiel in Verbänden, bei Trainern und Funktionären nicht ausreichend verbreitet ist. Es wird vereinfacht gedacht, schwarz-weiß, gut-schlecht, fit-unfit. Aus meiner Sicht werden überwiegend körperliche Faktoren betrachtet. Psychologische und soziale Einflüsse werden eher vernachlässigt. Das steht einer optimalen Entwicklung einzelner Sportler im Weg, ist aber auch ungünstig für die Auswahl und Entwicklung von Teams.
Als ehemaliger olympischer Leistungssportler im Achter-Rudern haben Sie Höhen und Tiefen erlebt. Was sind nach Ihrer Einschätzung wesentliche psychologische Faktoren, damit aus einem Team ein Gewinnerteam wird?
Mennigen: Auch hier lassen sich körperliche, psychologische und soziale Einflüsse eigentlich nicht getrennt voneinander betrachten. Die Unterschiede zwischen "normalen" Teams und High Performance Teams sind nicht nur psychologischer Natur. Aber natürlich gibt es entscheidende psychologische Faktoren auf der Teamebene. Es sind zum Beispiel geteilte mentale Modelle wichtig, was wie erreicht werden soll. Sprich, gemeinsame Vorstellungen von Zielen, die erreicht werden sollen und dem Weg dorthin. Ebenfalls sind Vertrauen und psychologische Sicherheit wichtige Voraussetzungen für Top Leistungen, weil sie Voraussetzung für effektive Kommunikation über die Zielerreichung sind. Häufig werden diese Faktoren jedoch völlig unterschätzt oder als gegeben angenommen, selbst wenn sie nicht erfüllt sind.
Jürgen Klopp gilt als absolutes Motivationsmonster. Was muss ein Trainer an psychologischen Kompetenzen mitbringen, um ein Gewinnerteam zu bilden?
Mennigen: Als Jürgen Klopp uns nach unserem Olympiasieg im Achter 2012 im Westfalenstadion begrüßt hat, war er so begeistert und hat sich so gefreut, als ob er selbst uns trainiert hätte. Er ist absolut begeisterungsfähig und emotional. Das zeichnet ihn ja auch als Trainer aus. Außerdem ist er meist sehr wertschätzend und entschuldigt sich, wenn er verbal mal daneben liegt. Begeisterungsfähigkeit im Klopp‘schen Ausmaß ist nicht zwingend, um als Trainer erfolgreiche Teams zu führen. Trotzdem sollten die Fähigkeiten zu begeistern, echte Wertschätzung zu vermitteln und konstruktive Rückmeldung zu geben, überdurchschnittlich ausgeprägt sein.