Sie haben dabei mit dem Vaccinia-Virus gearbeitet - einem DNA-Virus, das zur Familie der Pockenviren gehört, das aber für den Menschen völlig harmlos ist. Dieses dient nicht nur als Grundlage aller Pocken-Impfstoffe, es wird auch in der sogenannten onkolytischen Virotherapie zur Bekämpfung von Krebserkrankungen erprobt.
Verantwortlich für die strukturbiologischen Arbeiten sind Utz Fischer, Inhaber des Lehrstuhls für Biochemie I der JMU Würzburg, und Patrick Cramer, Direktor und Leiter der Abteilung Molekularbiologie am MPI-BPC. In zwei zeitgleich erscheinenden Veröffentlichungen in der Fachzeitschrift Cell stellen sie jetzt die Ergebnisse ihrer Zusammenarbeit vor.
"Die RNA-Polymerase des Vaccinia-Virus existiert im Wesentlichen in zwei Erscheinungsformen: dem eigentlichen Kernenzym und einem noch größeren Komplex, der dank zusätzlich hinzugefügter Untereinheiten über weitere, spezielle Funktionalitäten verfügt", erklärt Fischer. Zusammengehalten wird der Komplex von einem Molekül, welches das Virus aus seiner Wirtszelle entwendet: einer tRNA. Diese Art von Molekülen spielt normalerweise keine Rolle in der Transkription, sondern liefert die Aminosäure-Bausteine für die Proteinherstellung.
Die Forscher vermuten, dass der tRNA-Strang neben seiner verbindenden Funktion noch eine weitere wichtige Aufgabe übernimmt. "Diese tRNA kann nur mit Glutamin beladen werden, einer Aminosäure, die nicht nur für die Herstellung von Proteinen, sondern auch als Energie- und Stickstoffquelle der Zelle notwendig ist", erklärt Aladar Szalay, Mitautor der Studie und Leiter des Cancer Therapy Research Center (CTRC) an der JMU. Da das Virus für seine Replikation auf Stickstoff angewiesen ist, könnte die tRNA als Sensor dienen, der dem Virus Auskunft über den aktuellen Stickstoffgehalt in der Zelle gibt. Sinkt dieser unter einen bestimmten Wert, könnte dies für das Virus das Signal sein, die Zelle möglichst bald zu verlassen. Das ist allerdings bisher nur eine Hypothese.
Um der Funktionsweise der viralen RNA-Polymerase auf die Spur zu kommen, ermittelten die Forscher ihre dreidimensionale Struktur zusätzlich während unterschiedlicher Schritte der Transkription. Mit diesen neuen Erkenntnissen ist es nun möglich, den gesamten Prozess der Viren-Vermehrung auch strukturbiologisch nachzuvollziehen. "Besonders erstaunlich ist, wie sich die Bausteine der Maschine nach dem Start der Transkription neu anordnen, um die Synthese des RNA-Produkts voranzutreiben - dieser Komplex ist wirklich sehr dynamisch", erklärt Hillen.
Die entsprechenden Daten erhielten die Forscher von einem Gerät, das die Strukturanalyse in den vergangenen Jahren revolutioniert hat: einem Kryo-Elektronenmikroskop der neuesten Generation, wie es sowohl an der JMU als auch am MPI-BPC in Betrieb ist. Mit einer Spannung von 300.000 Volt schießt es Elektronen durch die auf minus 180 Grad Celsius gekühlten Proben und liefert so Bilder mit einer Auflösung, die sich in der Größenordnung von Atomen bewegt. Das Mikroskop macht es möglich, biologische Moleküle und Komplexe zu untersuchen und deren dreidimensionale Struktur zu rekonstruieren.
MEDICA.de; Quelle: Julius-Maximilians-Universität Würzburg