Im Interview mit MEDICA.de spricht Dr. Markus Wenzel über den Begriff machine learning, wie weit KI-Lösungen im medizinischen Alltag heute schon sind und wie sie sich entwickeln werden.
Herr Dr. Wenzel, was sind eigentlich machine learning und deep learning?
Dr. Markus Wenzel: Der Begriff machine learning suggeriert, dass ein Computer sich selbst Ziele setzt und etwas lernt. Das trifft, meiner Meinung nach, nicht ganz zu. Dabei ist eher der Prozess gemeint, in dem ein Forscher dem Computer Daten zur Verfügung stellt und etwas beibringt – insofern wäre machine teaching der bessere Begriff.
Unabhängig vom Begriff wird machine learning als Weg zur künstlichen Intelligenz, KI, gesehen. Das trifft aber nur eingeschränkt zu: Man sucht nicht nach Methoden, Intelligenz nachzubauen und künstlich hervorzubringen, sondern nach Möglichkeiten, Computern schneller beizubringen, eine kognitive Aufgabe möglichst effizient zu lösen, mindestens so gut wie der Mensch. Die dazu verwendete Methode muss nicht unbedingt deep learning sein, es kann auch jede andere Art sein, aus Daten Schlussfolgerungen zu ziehen, aber deep learning ist eine sehr effiziente Methode.
Welche Aufgaben kann KI denn für Ärzte übernehmen und vielleicht sogar besser lösen als sie?
Wenzel: Das sind in der Regel Aufgaben, bei denen Ärzte systematisch Schwächen haben, weil sie repetitiv sind und man als Mensch dabei schnell ermüdet, oder Aufgaben, die die Kenntnisse und Fähigkeiten eines Arztes als Spezialist im medizinischen Umfeld nicht vollständig nutzen. In der Routine sehen sich Ärzte täglich eine große Menge Befunde an: in der Radiologie zum Beispiel viele Bilder mit einer bestimmten Suchaufgabe, die aber in der Regel fast nur Normalbefunde zeigen. Diese Bilder werden aufgrund eines Verdachts aufgenommen und in einem ganzen Bildstapel ist dann häufig nur auf wenigen Einzelbildern tatsächlich etwas zu sehen.
Eine solch zeitaufwendige Suchaufgabe ist eine der kognitiven Fähigkeiten, die Computer exzellent erlenen können: Also, sich schnell große Datenmengen anzusehen, mögliche Fundstellen zu identifizieren und Bilder für den Arzt vorab zu sortieren, sodass er sich nicht mehr alle Bilder ansehen muss.