Im Interview mit MEDICA.de spricht Dr. Lisa Klingelhöfer über das europäische Projekt, das Big Data und smarte Geräte zur Früherkennung der parkinsonschen Erkrankung nutzbar machen will.
Frau Dr. Klingelhöfer, was ist das iPrognosis-Projekt?
Dr. Lisa Klingelhöfer: Der Kernpunkt des Projekts ist die Smartphone-App, die unser Konsortium entwickelt. Sie soll motorische und nicht-motorische Symptome der parkinsonschen Krankheit erkennen und messen. Dies erfolgt, ohne dass der Smartphone-Nutzer dazu etwas aktiv tun muss, somit während des normalen Umgangs mit dem Smartphone im alltäglichen Leben. So hoffen wir, Personen zu erkennen, die frühe Symptome der parkinsonschen Krankheit zeigen, und hierdurch frühzeitiger den Kontakt mit einem Arzt herzustellen. Diese Daten erheben wir im Rahmen der GDaten-Phase, welche für "generelle Nutzungsdaten" steht, die seit Mai 2017 erfolgt.
Welche Daten wollen Sie mit der iPrognosis-App sammeln?
Klingelhöfer: Ein Hauptsymptom der parkinsonschen Krankheit, das sich vielfältig auswirkt, ist die Brady- und Hypokinese, also die Verlangsamung und Verkleinerung von Bewegungen. Eine speziell entwickelte Tastatur innerhalb der iPrognosis-App misst dafür, wie schnell und regelmäßig und mit wieviel Druck der Nutzer zwischen den einzelnen Tasten, zum Beispiel beim Eintippen von Nachrichten wechselt. Mit der allgemeinen Bewegungsverlangsamung können sich auch die Wege, die die Betroffenen täglich zurücklegen, verringern. Deshalb führen wir auch eine Distanzanalyse durch. Außerdem tritt eine zunehmende Verminderung der Mimik auf. Das können wir gerade bei der jüngeren Generation über Selfies analysieren und kann somit perspektivisch mit dem Generationenwechsel eine wichtige Funktion werden. Ein weiteres Hauptsymptom ist der Tremor, den wir über die Beschleunigungssensoren des Smartphones messen, zum Beispiel wann immer das Smartphone in der Hand gehalten wird, wie beim Telefonieren oder auch beim Schreiben von Nachrichten.
Bei der parkinsonschen Erkrankung wird die Sprache meist monotoner und leiser. Deshalb führen wir im Rahmen von Telefonaten auch Analysen der Sprachfrequenzen durch, ohne die Unterhaltung verstehen zu können.
Zuletzt versuchen wir auch die Stimmung der Nutzer zu erfassen, denn wissenschaftliche Untersuchungen haben gezeigt, dass häufig eine depressive Verstimmung bis zu einer manifesten Depression der parkinsonschen Erkrankung vorangeht. Deshalb haben wir zur Analyse von Mitteilungen eine Art Lexikon entwickelt, wodurch Wörter mit bestimmten Zahlenwerten codiert werden. Neutrale Wörter wie "Baum", "Auto" oder "Flasche" haben den Wert "null", Worte mit emotionalem Wert erhalten entweder einen positiven oder einen negativen Wert. Das ergibt dann einen Zahlencode, aus dem wir eine Veränderung der Emotionen über den zeitlichen Verlauf zu erkennen hoffen.