Welche Erfolge erzielt die Magnetstimulation bei Patienten mit Depressionen?
Nitsche: Die Behandlungserfolge sind etwa vergleichbar mit der Behandlung durch Antidepressiva. Bei vielen Patienten hat die Stimulation eine durchaus klinisch relevante Wirkung. Sie wird aber im Allgemeinen nicht als erste Therapie eingesetzt, sondern dann, wenn medikamentöse Therapien nicht erfolgreich waren. Die deutlichsten Wirkungen wurden in Zulassungsstudien bei Patienten beobachtet, bei denen die pharmakologische Therapie mit zwei bis drei Antidepressiva erfolglos war.
Es gibt bisher allerdings keine größeren Studien, die eine Überlegenheit oder Gleichwertigkeit der Stimulationsverfahren gegenüber pharmakologischen Ansätzen zeigen. Es wird gegenwärtig nach Wegen gesucht, die Effizienz der Stimulationsverfahren zu verbessern, um die Stimulation als Ersttherapie genauso erfolgreich wie pharmakologische Therapien zu machen.
Gibt es Hinweise auf Risiken durch die Stimulationsverfahren?
Nitsche: Wenn die Verfahren den Richtlinien entsprechend angewendet werden, ist die Gefahr von Nebenwirkungen sehr gering. Es kann zu Kopfschmerzen und Müdigkeit kommen. Das betrifft sowohl die magnetische als auch die elektrische Stimulation. Patienten – insbesondere mit bipolarer Depression – können durch die Stimulation von einer depressiven in eine hypomanische Phase übergehen. Das sind bisher aber Einzelfallbeschreibungen. Dazu kann es bei der medikamentösen Behandlung ebenfalls kommen.
Es gibt weiterhin verschiedene Ausschlusskriterien: Patienten mit einem Tiefenhirnstimulator oder einem Herzschrittmacher sollten keine Hirnstimulation erhalten, weil die induzierten Ströme Störungen in den Geräten verursachen können. Und bei Patienten mit Epilepsie ist eine erregbarkeitserhöhende Stimulation über den epileptogenen Hirngebieten kontraindiziert. Aber im Allgemeinen sind die Verfahren sehr gut verträglich.
Sie setzen sich dafür ein, dass Standards für Studien zu den Stimulationsverfahren geschaffen werden. Wie sollten diese aussehen?
Nitsche: Von einer Konsensusgruppe aus Kollegen, die zur Hirnstimulation forschen, wurde für die repetitive TMS beispielweise vorgeschlagen, mit welchen Stimulationsfrequenzen und -stärken gearbeitet werden kann, ohne epileptische Anfälle auszulösen. Solche Bedingungen sollten natürlich erfüllt werden. Außerdem sind Ausschlusskriterien für Patienten, wie die vorher genannten, zu beachten. Wenn es um klinische Anwendungen geht, ist es wichtig, dass die Studien doppelt verblindet und randomisiert sind, weil sie die aussagekräftigsten Ergebnisse liefern.
Unsere Aufgabe für die Zukunft ist klar: Die Stimulationsverfahren befinden sich in einer dynamischen Entwicklung. Wir müssen optimierte Stimulationsprotokolle entwickeln und herausfinden, welche Protokolle die besten Effekte erzeugen. Das betrifft unter anderem den Stimulationsort, die Stimulationsstärke, die Stimulationsdauer und die Anzahl der Sitzungen. Hier fehlt es noch an systematischen Studien, die eine Chance bieten, die Effizienz der Verfahren weiter zu erhöhen.