Im Interview mit MEDICA.de spricht Prof. Markus Lerch über die Ziele des neuen Verbundprojekts in Teterow, und er erklärt, nach welchem Ansatz dort Immuntherapien gegen Krebs entwickelt werden und welches Potenzial eine Individualisierung der Krebstherapie birgt.
Herr Prof. Lerch, was ist das Ziel des Verbundprojekts?
Prof. Markus Lerch: An unserem Verbundprojekts nehmen die Universitätsmedizin Greifswald, die Universitätsmedizin Rostock und zwei Biotechnologie-Unternehmen, Miltenyi Biotec GmbH und Centogene, Rostock, teil. Das Ziel dieses Projektes ist, eine neue Immuntherapie gegen Krebs zu entwickeln. Dafür haben wir uns zwei Tumorentitäten ausgesucht – den Dickdarmkrebs und das Pankreaskarzinom. In diesen Bereichen verfügen wir über eine hohe Expertise. Außerdem handelt es sich bei beiden Krebsformen um häufig vorkommende Arten, für die es gegenwärtig noch keine ausreichenden Therapiemöglichkeiten gibt.
Welchem Ansatz folgen Sie bei der Entwicklung der Immuntherapie?
Lerch: Bei der Entwicklung einer geeigneten Therapie stützen wir uns auf die bekannte Beobachtung, dass bei Tumorzellen das Erbmaterial mutiert. Dies führt dazu, dass diese Tumorzellen an ihrer Oberfläche andere Eiweiße exprimieren als gesunde Zellen. Diese durch Mutation entstandenen Oberflächeneigenschaften möchten wir uns zunutze machen, um körpereigene Immunzellen gleichsam dagegen zu impfen. Dafür werden dem Patienten Immunzellen entnommen, in diesem Fall geht es insbesondere um dendritische Zellen. Diese werden im Reagenzglas mit den patienteneigenen Oberflächenmarkern geimpft. Die geimpften dendritischen Zellen werden dem Patienten anschließend wieder verabreicht. In dessen Körper veranlassen sie die Killerzellen, T-Zellen und andere Immunzellen dazu, den Tumor erstens zu erkennen und zweitens zu attackieren. Die Miltenyi Biotec GmbH führt dazu bereits klinische Studien durch, für Melanome und Hautkrebs. Das Projekt wird sechs Jahre lang gefördert. Im ersten Schritt sollen individuelle Tumorproben auf ihre jeweilige Mutation hin untersucht werden. Diese Art von Therapie ist im höchsten Maße personalisiert. Für jeden einzelnen Patienten müssen Tumor und Immunzellen genau charakterisiert werden, um dann den persönlichen Impfstoff herzustellen.
Welche Herausforderungen gibt es gegenwärtig noch?
Lerch: Es spielen zum Beispiel auch logistische Faktoren eine Rolle, die momentan noch nicht ausgearbeitet sind. Wir müssen erst noch herausfinden, wie viele Zellen zu diesen Zwecken isoliert werden müssen, wie gut sie transportiert werden können oder wie man sie letztendlich impfen und vermehren muss. Wir brauchen Material vom Patienten, das einen Herstellungsprozess durchläuft und später wieder dem Patienten als Arzneimittel verabreicht werden kann. Auf dem Weg dahin müssen viele Aspekte geklärt werden, sodass wir am Ende untersuchen können, ob der Patient tatsächlich genug eigene Abwehrzellen gegen den spezifischen Tumor entwickelt, die die Krebszellen attackieren.
Unsere Immuntherapie soll außerdem parallel zu den herkömmlichen Therapien verabreicht werden. Die konventionelle Chemotherapie kann dazu führen, dass Immunzellen sterben. Deshalb müssen wir auch jeweils individuell herausfinden, zu welchem Zeitpunkt in der normalen Chemotherapie der Transfer der eigenen Immunzellen am besten vorgenommen werden sollte, sodass diese am wenigsten Schaden erleiden. All dies sind Schritte, die wir in den nächsten sechs Jahren klären werden.