Was hätten wir im medizinischen Bereich von 6G-Anwendungen zu erwarten?
Dommel: Für uns in der Forschung ist sehr interessant, dass wir komplett neue Funktionalitäten haben werden. Es gibt den Ansatz des Integrated Communication and Sensing. Das bedeutet, dass wir durch die Ausbreitung von elektromagnetischen Wellen im Raum, also durch den reinen Kommunikationsvorgang, nicht nur Daten übertragen, sondern auch Objekte erfassen und verfolgen können. Dazu gehört zum Beispiel auch die Möglichkeit, Vitalparameter auszulesen oder Stürze zu detektieren, und das ohne spezielle Sensorik.
Welcher Mehrwert könnte sich daraus für Leistungserbringende im Gesundheitswesen sowie Patientinnen und Patienten ergeben?
Dommel: Im Fokus unserer Arbeit steht derzeit eine Verbesserung der Arbeitssituation in der Pflege, sowohl im häuslichen als auch im klinischen Bereich. Hier könnten wir die Technologie natürlich nutzen, um den Informationsfluss im Krankenhaus zu verbessern und so den Arbeitsaufwand für das Pflegepersonal zu verringern. Auch möglich wäre eine vernetzte Robotik, sei es in der Logistik oder zur Steuerung von Exoskeletten, die bei schweren Arbeiten unterstützen. Oder eine echtzeitfähige Verbindung mit Augmented Reality, durch die Ärztinnen und Ärzte gemeinsam von verschiedenen Orten aus dieselbe Patientin oder denselben Patienten untersuchen können oder auch bei einer Operation assistieren.
Für 6G sind viele Einsatzmöglichkeiten denkbar. Die Vision ist es aber, ganz allgemein gesagt, durch die Technologie das Outcome zu verbessern, indem die klinischen Abläufe optimiert werden.
Mit was für einem Zeithorizont muss man rechnen, bis 6G-Anwendungen verfügbar sind?
Dommel: Gegen 2028 könnte die Standardisierung starten. Die ersten Anwendungen könnten 2030 kommerziell verfügbar sein. Dazu muss man allerdings sagen: Die Entwicklung jeder Mobilfunkgeneration dauert etwa zehn Jahre. Bei 5G läuft der Rollout seit zwei oder drei Jahren. Auch diese Technologie wird noch weiterentwickelt und nicht schlagartig verschwinden, sobald 6G kommt.