Was genau versteht man unter einem digitalen Zwilling?
Müller: Wir verstehen darunter ein sehr akkurates Abbild eines realen Gegenstandes am Computer. In unserem Fall ist dieser reale Gegenstand die menschliche Lunge, von der wir eine physiologisch korrekte Kopie in digitaler Form erstellen. Wichtig ist, dass „Abbild“ in diesem Fall nicht nur ein einfaches Bild der Lunge meint, sondern es imitiert darüber hinaus auch die Funktionen des Organs. Wir sind also in der Lage, die individuelle Lunge eines ganz bestimmten Patienten am Computer abzubilden.
Wie kann durch diese Technologie die Behandlung von ARDS verbessert werden?
Müller: Wir berühren hier das von mir soeben angesprochene und grundsätzliche Problem der Behandlung: die individuelle und schonende Beatmung. Der digitale Zwilling liefert dem behandelnden Arzt eben jene Informationen, die ihm fehlen. Der Zwilling zeigt ihm alles über Volumen und Beschaffenheit der jeweiligen Lunge. So kann er eine bessere Behandlungsentscheidung treffen.
Wo wird Ihre Technik bislang angewandt, beziehungsweise welche Anwendungsbereiche erhoffen Sie sich für die Zukunft?
Müller: Hauptsächlich wird unser digitaler Zwilling bisher von Medizintechnikherstellern angefragt, die selbst im Kontext der Beatmung tätig sind. Unser Plan ist es, nun die Weichen zu stellen, um die Technik als festen Bestandteil des klinischen Alltags zu etablieren. Wir erhoffen uns dadurch einen echten Mehrwert für die Intensivmedizin.