Ist damit auch eine Aussage über spezifische Erkrankungen möglich, im Sinne einer Diagnostik?
Tinschert: Der Diagnostikmarkt wäre im Prinzip auch interessant. Es ist aber aus der Businessperspektive sehr anspruchsvoll, dort einen guten Weg zu finden. Auf Basis unserer Forschung gehen wir davon aus, dass wir auf Basis des Smartphones allein keine gesicherte Diagnose stellen könnten, weil das eingebaute Mikrophon bei vielen Smartphones eine zu geringe Qualität hat. Deshalb müsste man mehrere Parteien einbinden, was alles komplexer macht.
Es gibt Unternehmen, die das machen. Das sind aber keine Lösungen, die Nutzenden direkt eine Diagnose ausstellen. Die Daten werden stattdessen in die Cloud übertragen, wo sie analysiert und an medizinische Leistungserbringerinnen und Leistungserbringer übertragen werden, die dann eine Beurteilung abgeben. Ob es dann die Einschätzung der KI überhaupt noch braucht, ist fraglich. Vor allem, wenn man die eher geringen Margen des Telemedizin-Markts mitberücksichtigt.
Stattdessen sehen wir ein viel größeres Potential für KI, die Menschen mit bereits bekannten Lungenerkrankungen unterstützt. KIs bieten viele Möglichkeiten, sind häufig aber nicht so entwickelt worden, dass sie im Alltag so nützlich sind, wie man es gerne hätte. Für uns stand die Alltagstauglichkeit der Anwendung im Fokus. So hat sich eher das Monitoring, nicht die Diagnostik, angeboten.
Sie haben begonnen mit Blick auf Asthma – sind noch weitere Krankheiten hinzugekommen, über die Schlüsse möglich sind?
Tinschert: Ab April 2020 haben wir uns auch mit COVID-19 beschäftigt, da hier Husten eines der Leitsymptome ist. In einer Studie mit dem Kantonsspital St. Gallen haben wir unsere Technologie bei hospitalisierten Patientinnen und Patienten mit COVID-19 eingesetzt und überprüft, ob die Entwicklung des Hustens mit der Progression der Krankheit zusammenhängt. Die Ergebnisse sind durch unseren klinischen Partner noch nicht publiziert, sehen aber vielversprechend aus.
Für uns war das ein sehr wichtiger Moment, weil wir gesehen haben, dass der Ansatz nicht nur bei Patienten zu Hause funktioniert, sondern auch unter anspruchsvolleren Bedingungen mit einer schweren Krankheit.
Zusammen mit der Schweizer CSS Versicherung haben wir außerdem im Dezember 2021 die App "myCough" für den deutschsprachigen Raum herausgebracht. Das ist eine allgemeine krankheitsagnostische App, die von Patientinnen und Patienten mit vielen unterschiedlichen Erkrankungen zur Beurteilung ihres Hustens genutzt werden kann – sei es eine akute Erkältung, Allergie, COPD, Asthma oder chronischer Husten.