Auf der MEDICA 2021 hielt Herr Klimpel einen Vortrag zum Thema "KI-basierte Bewegungsempfehlungen mit einem neuen Ansatz zur Behandlung chronischer und akuter Schmerzphasen" in der MEDICA MEDICINE + SPORTS CONFERENCE. Im Nachklang zur MEDICA 2021 erläutert er, was für eine gute Aufstellung bei der Behandlung von chronischen Schmerzphasen notwendig ist.
Herr Klimpel, wie funktioniert die medicalmotion Plattform?
Sven Klimpel: Es handelt sich um eine KI-gestützte und CE-I-zertifizierte Plattform für Schmerzpatientinnen und -patienten mit neuro-muskuloskelettalen Krankheiten. Das umfasst unter anderem alles an akuten und chronischen Schmerzen im Muskel-Skelett-Apparat von Kopf bis Fuß. Zu Beginn wird die App bspw. von der behandelnden Ärztin oder dem Arzt verschrieben oder direkt von der Krankenkasse zur Verfügung gestellt. Der erste Schritt im Rahmen der Anmeldung ist ein therapeutischer Anamnese-Fragebogen, in dem alle Schmerzbereiche des Patienten an einer Darstellung des Körpers angegeben werden. Hier können bis zu 56 unterschiedliche Schmerzbereiche mit den entsprechenden Schmerzarten und Kombinationen an Schmerzen vermerkt werden. Das ist die Grundlage für eine möglichst zielführende und sichere Therapie. Je nach Kontext und basierend auf den eingegebenen Daten erhalten die Patientinnen und Patienten dann durch die eigens entwickelte medizinische KI der medicalmotion Plattform unterschiedliche Empfehlungen. Dabei handelt es sich um Empfehlungen, angelehnt an eine multimodale Schmerztherapie. Dazu gehören bspw. Bewegungsempfehlungen im Rahmen von kleinen Videos, die speziell für den Tag für die jeweilige Patientin und den Patienten individualisiert werden, wie zum Beispiel Dehnübungen oder Atemübungen. Ziel ist, dass die Patientinnen und Patienten dabei im heimischen Umfeld einfach und leicht unterstützt werden können. Gleichzeitig bieten informative Teile, wie zum Beispiel Podcasts, die Möglichkeit, besser zu verstehen, wo der Schmerz herkommt.
Wie genau funktioniert die Zusammenarbeit mit Ärzten, Therapeuten und Krankenkassen?
Klimpel: Die Krankenkassen, mit denen wir zusammenarbeiten, erstatten die Kosten für die Patienten. Damit soll sichergestellt werden, dass die Versicherten eine bessere unterstützende Therapie bekommen und auch früher versorgt werden können, bevor noch schlimmere Schmerzen auftreten. In Berlin-Brandenburg haben wir bspw. Projekt mit dem Bundesministerium für Gesundheit durchgeführt, in welchem unsere Plattform erfolgreich zur Therapieunterstützung von Physiotherapeuten eingesetzt wurde. Das Projekt lief insgesamt zwölf Monate und die Publikation der Ergebnisse folgt im Laufe dieses Jahres. Im Rahmen des Projekts konnten bspw. Daten über die durchgeführten Übungen der Patientinnen und Patienten, auftretende Probleme und Entwicklungen gewonnen werden. Eine spannende Erkenntnis war beispielsweise, dass fast 90 % der Rückenschmerz Patientinnen und Patienten nicht nur unter Rückenschmerzen leiden, sondern an unterschiedlichen bzw. mehreren Schmerzbereichen gleichzeitig. Fast 50 % der Teilnehmenden hatten zwar zunächst Rückenschmerzen, dann aber im Laufe der Behandlung komplett andere Beschwerden. Die Ergebnisse geben hier somit einen kompletten neuen Einblick in den Alltag von Schmerzpatientinnen und -patienten und deren Anforderungen an eine digitale Unterstützung. Denn Schmerz verändert sich dynamisch und ist selten statisch nur an einer Stelle. Deswegen ist es wichtig, dass sich unsere KI-gestützte Schmerztherapie auf Basis dieser Veränderungen anpassen kann und gleichzeitig mit den Therapeuten und Ärzten zusammenarbeitet, um schwere Erkrankungen frühzeitig zu erkennen.