Wie kann eine digitale Gesundheitsanwendung Patienten mit Krebs helfen?
Mehnert-Theuerkauf: Die Mika-App besteht aus drei Bereichen: Erstens der Informations-Bereich, dort bekommen die Patienten maßgeschneiderte evidenzbasierte Information, aufbereitet für die Bereiche, für die sie sich besonders interessieren.
Zweitens das Symptom-Tracking. Dort kann die eigene psychosoziale Belastung über die Zeit verfolgt werden – Wie hoch bin ich belastet und bin ich vielleicht an einem Punkt, an dem es doch gut wäre, mir professionelle Hilfe zu suchen?
Der dritte Bereich ist der Teil der niedrigschwelligen Intervention. Dabei geht es zum Beispiel darum, Entspannungsmöglichkeiten zu erlernen oder Kraft zu finden mit Hilfe von Selbstmanagement-Tools (Themenreisen). Deshalb sind solche Apps für Krebspatienten so nützlich: Neben der Krebsberatung und spezifischen psychoonkologischen Unterstützungsangeboten bieten Apps Patienten in unterschiedlichen Krankheitsphasen Hilfe zur Selbsthilfe. Krebs ist eine Erkrankung, die das ganze Leben betrifft und viele Patienten stehen mit einer Krebsdiagnose wie vor einem riesigen Berg. Von heute auf morgen ist man Patient und muss in den verschiedenen Bereichen des Lebens viel organisieren, ist aber auch mit Dingen konfrontiert, die einen überfordern können. Durch die drei Bereiche ist die App da sehr hilfreich.
Wo sehen Sie die Grenzen der digitalen Gesundheitsanwendungen?
Mehnert-Theuerkauf: Ich denke, eine DiGA sollte eine Art Selbsthilfe- oder Selbstmanagement Tool sein und den Patienten durch gut aufbereitete Informationen und Anleitungen zeigen, wie sie selbst mit spezifischen Problemen umgehen können. Die Grenze ist für mich dann erreicht, wenn professionelle Hilfe oder Therapie erforderlich ist, wenn jemand stark belastet ist und seine Alltagsprobleme nicht mehr allein bewältigen kann. Nehmen wir zum Beispiel das Thema Depressivität: In der App gibt es ein Tool, dort können Betroffene schauen, ob sie depressiv sind, wenn ja wie stark, und ab wann es ratsam wäre, mit einem Experten zu sprechen. So bekommen Betroffene schneller professionelle Hilfe.
Sind DiGA für Sie und Ihre Arbeit also ein ergänzendes Hilfsmittel?
Mehnert-Theuerkauf: Ja, wir können den Patienten ein gutes Tool für den Alltag an die Hand geben. Trotzdem kann eine App nicht eine fundierte klinisch-psychologische Diagnostik und das professionelle Gespräch beziehungsweise psychotherapeutische Interventionen ersetzen.
Was glauben Sie, welchen Einfluss werden Apps und DiGA in Zukunft auf die medizinische Versorgung haben?
Mehnert-Theuerkauf: Einen großen! Es ist sehr vieles möglich, vom Symptom-Tracking bis hin zur verbesserten onkologischen Diagnostik früher Krankheitsstadien in bestimmten Bereichen durch die KI. Hier wird sich die Diagnostik und die Medizin weiter entwickeln. Für mich stellt sich auch die Frage danach, wem diese sensiblen Gesundheitsdaten gehören – privaten Firmen oder gehören diese in öffentliche Hand? Hier braucht es mehr gesellschaftlichen Diskurs.