Wie werden Symptome erfasst, die nicht mit Sensoren festgehalten werden können?
Loewenbrück: Diese werden zum Beispiel erfasst, indem wir das Routine-Smartphone-Nutzungsverhalten auswerten. Hierbei wollen wir nicht aufzeichnen, welche Websites Patienten aufrufen, sondern ob es zeitliche Änderungen im Nutzungsverhalten des Smartphones gibt. Bei allen Patienten führen wir hierzu ein longitudinales Monitoring durch, indem wir die Daten der einzelnen Patienten vergleichen. Jeder kann sich vorstellen, dass eine Impulskontrollstörung dazu führen kann, dass der Patient pausenlos sein Telefon bedient. Wenn der Patient hingegen depressiv ist, kann es sein, dass die Anzahl an Telefonanrufen sinkt und dass er keine Messenger-Dienste mehr nutzt. Ziel des Projekts ist es, Methoden zu finden, die die meisten relevanten Informationen erfassen und die gleichzeitig für Patienten akzeptabel und umsetzbar sind. Als Alternative könnten wir jeden Tag allen Patienten einen Fragebogen zusenden, zum Beispiel mit Fragen, wie "Haben Sie Probleme, Ihr Verhalten zu kontrollieren?" Das würden Patienten aber nicht mitmachen - wenn wir fragebogenbasiert überwachen, ist es vielleicht akzeptabel, die Patienten einmal im Monat zu befragen. Das werden wir übrigens auch machen - es gibt sehr viele validierte und gut erprobte Fragebogen-Instrumente. Diese sollen die Patienten regelmäßig über eine App ausfüllen. Es geht letztendlich darum, den gesunden Mittelweg zwischen hoher Datenqualität und alltäglicher Akzeptanz durch den Patienten zu finden, sowie die am besten geeignete Methode, um dies zu erreichen.
Wie wissen die Patienten zu welcher Zeit sie die Bewegungssensoren tragen sollen? Gibt es da auch Richtlinien?
Loewenbrück: Letztendlich gibt es Anhaltspunkte von ähnlich gestalteten Projekten, die im Vorfeld gelaufen sind und mit denen wir im engen Austausch stehen. Es ist natürlich auch immer die Frage, was man wissen will. So kann es für einzelne Parameter notwendig sein, Daten über einen längeren Zeitraum zu mitteln, um sie sauber zu erfassen. Es kommt immer darauf an, was die Technik hergibt, wie zum Beispiel Batterielaufzeit und Art der Sensoren. Die Patienten sollen automatisch durch eine App regelmäßig aufgefordert werden, bestimmte Module unseres Telemedizin-Ansatzes wahrzunehmen - sei es das Tragen von verschiedenen Sensoren, sei es das Ausfüllen von Fragebögen oder sei es die Durchführung aktiver Tests mittels Smartphone oder Tablet.
Die durch Sensoren erfassten Parameter werden automatisch an Ärzte weitergeleitet. Wie lange dauert es im Schnitt von der Weitergabe der Parameter bis zum Ergebnis der Analyse/ Dokumentation?
Loewenbrück: Hier gibt es, beispielsweise den Gang betreffend, etablierte Parameter, die aus den Rohdaten der Sensoren extrahiert werden können. Letztendlich hängt die Dauer davon ab, wie lange Daten gesammelt werden müssen, um Parameter zu extrahieren. Braucht es hierfür beispielsweise eine Mittelung über mehrere Stunden oder gar Tage, bekommen wir ein Ergebnis erst nach diesem Zeitraum. Es ist immer von den Parametern abhängig, die betrachtet werden. Die Idee ist, dass die Parameterdaten jedoch kontinuierlich und so schnell wie möglich zur Verfügung stehen. Die Patienten mit den größten intraindividuellen Abweichungen von einem Messzeitpunkt zum nächsten sollen dabei automatisch priorisiert den Ärzten angezeigt werden.