Wie erfolgt das Training der KI?
Karstensen: Das erfolgt im Moment rein in einem Software-Modell, das die Navigation eines Katheters im Gefäßbaum simuliert. Hier suchen wir ein Ziel aus und die KI versucht, dieses Ziel zu erreichen. Schafft sie das, erhält sie eine positive Bewertung, schafft sie es nicht, eine negative. Am Anfang sind es eher zufällige Bewegungen, mit denen auch nur zufällig das Ziel erreicht wird. Daran merkt sich das Netz, was eine gute, sinnvolle Bewegung war. Nach und nach, je öfter es ans Ziel kommt, desto effizienter wird es, weil es die sinnvollen Bewegungen im richtigen Moment wiederholt.
Das ist mit einem Menschen vergleichbar, der eine neue Sportart lernt: Eher willkürliches Ausprobieren führt irgendwann zum Erfolg und wird durch zielgerichtete Handlungen ersetzt. Deshalb benötigen wir auch die Simulation, um häufig, parallel und schnell etwas auszuprobieren. Bei Phantomen wäre das zu teuer und aufwendig.
Wenn die Steuerung an Simulationen lernt, wie kann sie denn patientenspezifische Anatomie berücksichtigen?
Karstensen: In der Simulation gibt es derzeit nur eine Geometrie des Gefäßbaumes. Wir arbeiten daran, die Navigation durch mehrere zu lernen. Wenn wir das neuronale Netz auf 30-40 Geometrien des Gefäßbaums trainiert haben, sollte es auch andere Gefäßbäume schaffen oder sehr schnell lernen. Es erhält ja durch die segmentierten CT-Bilder Informationen über den spezifischen Patienten. Im Gefäßbaum gibt es nur bestimmte Varianten, Patienten unterscheiden sich hier nicht endlos voneinander. Bei speziellen Sonderfällen würden sowieso die Ärzte mit einsteigen. Aber meistens geht es darum, ob Abgänge etwas weiter links oder rechts liegen.
Letztendlich soll es basierend auf den Geometrieinformationen, die wir ihm übergeben, lernen, auch beliebige neue Gefäßbäume zu navigieren. Das ist unser Forschungsthema für das nächste halbe Jahr. Eventuell können wir hier auch schon auf der MEDICA 2020 etwas zeigen.
Wie wollen Sie die Entwicklung jetzt insgesamt fortsetzen?
Karstensen: Wir beantragen gerade eine Projektförderung beim Bundesministerium für Gesundheit, um das neuronale Netz anwendungsspezifisch für kardiovaskuläre Eingriffe weiterzuentwickeln. Das heißt, es muss mit der Einrichtung im Katheterlabor kompatibel gemacht werden. Damit hätten wir den Proof-of-Concept erbracht, dass es im kardiovaskulären Umfeld mit den Informationen, die bereitstehen, und den Bildern, die dort generiert werden, tatsächlich funktioniert – mit der Einschränkung, dass wir es nur an Phantomen und in der Simulation getestet haben. Der folgende Schritt wäre, es im Rahmen einer Industriepartnerschaft oder einer Ausgründung zu einem fertigen Produkt zu entwickeln.