Wie können KI und Deep Learning konkret die Diagnostik mittels Herz-Ultraschall in diesen Fällen verbessern?
Di Vece: Die Echokardiographie spielt eine zentrale Rolle in der Diagnostik von Patientinnen und Patienten mit Verdacht auf TTS. Das wichtigste morphologische Kennzeichen des TTS ist das Auftreten transitorischer myokardialer Wandbewegungsstörungen, die sich normalerweise über das Gebiet einer einzelnen epikardialen Koronararterie hinaus ausbreiten. Die Identifizierung spezifischer Muster regionaler Wandbewegungsanomalien kann die Kardiologin oder den Kardiologen bei der Identifizierung der TTS unterstützen. Es ist zu vermuten, dass die künstliche Intelligenz neue Muster erkennt, die sich zwischen TTS und Infarkt unterscheiden und die diagnostische Aussagekraft der Echokardiographie bei der Differentialdiagnose erhöhen können.
In der Studie zeigte sich, dass die KI in den verwendeten Datensätzen treffsicherer war als erfahrene Kardiologinnen und Kardiologen. Zwar ist es bis zum Einsatz im klinischen Alltag noch ein weiter Weg, aber wie könnte die "Zusammenarbeit" zwischen KI und kardiologischen Fachpersonal zukünftig in so einem Fall (Myokardinfarkt vs. Takotsubo Syndrom) aussehen?
Di Vece: Der geschickte Einsatz von KI durch ausgebildetes Personal ermöglicht es, die Qualität der aufgenommenen Bilder zu verbessern. So erhält man mehr Daten zur Verarbeitung, die sonst nicht verwertbar wären. Das spart nicht nur Zeit, sondern senkt auch die Kosten. Den größten Nutzen hat aber sicherlich die Patientin oder der Patient, denn KI kann ein weiteres Werkzeug sein, um eine präzisere Diagnose zu stellen und eine individuellere Therapie zu ermöglichen. Dieser letzte Aspekt ist von großem Interesse, insbesondere bei komplexen Fällen mit multiplen Komorbiditäten.
Wenn man sich all diese Aspekte vor Augen hält, erscheint KI im kardiovaskulären Bereich als ein Werkzeug im Dienste der klinischen Intelligenz des kardiologischen Fachpersonals. Sie ist kein Ersatz für das Wissen und die Erfahrung einer ausgebildeten Kardiologin oder eines ausgebildeten Kardiologen.
Hinsichtlich der Differenzialdiagnose zwischen Herzinfarkt und Takotsubo muss die Kardiologin oder der Kardiologe den Einsatz der KI durch andere klinische Elemente ergänzen. Unser Endziel ist tatsächlich die Entwicklung eines umfassenden Algorithmus, der verschiedene Parameter wie unter anderem Bildgebungsdaten, demografische Daten, EKG und Biomarker zur nicht-invasiven Erkennung von TTS umfasst. Wenn eine Koronarangiographie nicht sofort zur Verfügung steht, kann eine plausible Bestimmung der Vortestwahrscheinlichkeit eines TTS bei der prognostischen Stratifizierung sowie bei der Festlegung der medizinischen Therapie unterstützen.