Prof. Karin Wolf-Ostermann ist Mitautorin des aus der Befragung entstandenen Whitepapers. Im Interview mit MEDICA.de spricht sie über Voraussetzungen und Möglichkeiten von KI im Gesundheitswesen.
Frau Prof. Wolf-Ostermann, was sind die Ergebnisse der Befragung?
Prof. Karin Wolf-Ostermann: Bei den Gesundheitsfachkräften im medizinischen Bereich und in der Pflege ist die Aufgeschlossenheit für neue Technologien prinzipiell groß. Aber in meinem Schwerpunktbereich, der Pflege, betreffen rund 90% der publizierten Studien keine tatsächlichen Anwendungen in der Praxis. Gerade in der Langzeitpflege ist noch wenig von diesen Technologien im Versorgungsalltag angekommen.
Zieldimensionen sind im Pflegebereich oft ein Monitoring oder eine Klassifikation von Aktivitäten oder des Gesundheitsstatus. Viele Studien beschäftigen sich auch mit Alarm Management, Sturzerkennung, Schmerz-Assessment bis hin zu Dokumentation und Dienstplanung. Wir kämpfen in der Pflege aber oft noch mit der fehlenden digitalen Infrastruktur und der Verfügbarkeit von qualitativ hochwertigen Daten. Gerade die Individualisierbarkeit von KI-Entscheidungen ist abhängig von einer guten Datenlage.
Im medizinischen Bereich gibt es zum Beispiel in der Hämatologie oder der Radiologie schon eine sehr gute Datenlage, hier kommen KI-Anwendungen bereits häufiger zum Einsatz.
Wie müssen Fachkräfte an das Thema KI herangeführt werden?
Wolf-Ostermann: Im Vordergrund steht, dass wir die Kompetenzen für den Umgang mit KI-Systemen entwickeln. Die neuen Technologien müssen in bestehende Strukturen und Arbeitsabläufe integriert und in diesen weiterentwickelt werden. Ich benutze dafür gerne den Begriff ‚Fahrgemeinschaft‘: Nicht ein Partner muss den anderen abholen, sondern beide müssen gemeinsam starten, miteinander reden und Lösungen gestalten. Für den Erfolg in der Praxis sind eine hohe Nutzerfreundlichkeit und eine große Akzeptanz wichtig.