Mit VR kann eine effektivere Lehre betrieben werden, indem die Chirurgie, ähnlich wie die Luftfahrt, einen praxisnahen Simulator nutzt. Simulatorpuppen oder -modelle, die durch verschiedene Materialien den Körper möglichst realistisch darstellen sollen, gibt es schon lange. Weniger verbreitet sind hingegen digitale Simulatoren, an denen entweder ein virtueller Fall am Bildschirm oder in einer immersiven Umgebung mit VR-Brille operiert wird.
Ein Beispiel für den ersten Fall sind die chirurgischen Simulatoren von VirtaMed. Das Schweizer Unternehmen ist auf arthroskopische Simulatoren spezialisiert. Diese kombinieren ein physisches Modell des jeweiligen Gelenks und darin eingesetzte endoskopische Instrumente mit spezifischen Aufgaben, die auf dem Bildschirm gelöst werden müssen. Das kann die Durchführung einer simulierten OP sein oder eine abstrahierte Aufgabe, in der der Umgang mit den Instrumenten trainiert wird, wie das Einfangen und Ablegen von über den Bildschirmen schwebenden Sternen mit einem Greifer.
VirtaMed hat im Frühjahr ein mobiles chirurgisches Simulationslabor vorgestellt, das in einem umgebauten Lieferwagen zu den Krankenhäusern kommt. Dieses Simulatortraining kann die echte OP zwar nicht vollständig ersetzen. Aber mit dem mobilen Labor kann auch während der Corona-Pandemie die Ausbildung von Ärzten aufrechterhalten werden, während gleichzeitig Kontakte zu Patienten im OP reduziert werden.
Bei komplexen Prozeduren kann das Training durch einen höheren Realitätsgrad intensiver gestaltet werden. Das Projekt "Dynamic HIPS" kombiniert eine immersive VR-Umgebung mit Instrumenten, über die der Nutzer auch ein haptisches Feedback erhält, um das Einsetzen einer Hüftendoprothese zu simulieren. Das heißt, Nachwuchschirurgen sehen den OP und den Patienten nicht nur vor sich, sie fühlen auch die einzelnen Operationsschritte. "Mit einem solchen Simulator können sie virtuell die Operation trainieren, bevor sie den Eingriff unter Supervision das erste Mal selbst durchführen – ganz ohne den Einsatz einer humanen Körperspende oder eines Tiermodells", wie Mario Lorenz im Interview mit MEDICA.de erklärt.
Unabhängig davon, ob es um die Kontaktvermeidung während der Corona-Pandemie oder um die Schonung von Ressourcen der Lehre geht, das virtuelle Simulatortraining hat eine große Stärke: Chirurgen können damit in der Ausbildung ihre Fähigkeiten verbessern, auch wenn gerade kein akuter Fall in ihrer Klinik behandelt wird. Sie werden direkter an die Eingriffe herangeführt und müssen nicht erst wiederholt eine OP beobachten, bevor sie selbst aktiv werden. Damit ist früher mehr Verständnis für den Ablauf vorhanden, während gleichzeitig eventuelle Hemmschwellen und Unsicherheit verringert werden.