Was hat es mit der Sensitivität und Spezifität auf sich?
Baumeister: Als erstes haben wir uns darauf fokussiert, eine relativ hohe Sensitivität zu erreichen. Das heißt, wenn der Test sagt, dass der Patient gesund ist, dann stimmt das mit einer 97 Prozent hohen Wahrscheinlichkeit auch. Spezifität ist der Gegenpol, denn je höher die Sensitivität ist, desto niedriger ist automatisch die Spezifität. Die Spezifität ist die Genauigkeit, oder die Wahrscheinlichkeit, mit der ein Test korrekt aussagt, dass jemand krank ist. Hier sind wir momentan bei 85 Prozent. Das bedeutet, dass von 100 Menschen, die bei der Cardisiographie als krank getestet werden, 15 nicht wirklich krank, sondern "falsch positiv" sind. Wenn man die "falsch positiv Rate" und die "falsch negativ Rate", die Sensitivität und die Spezifität zusammenfasst, dann kann man eine Gesamtgenauigkeit ermitteln. Diese liegt für die Cardisiographie bei 91 Prozent, was bereits heute ein extrem hoher Wert ist. Da wir unser KI-Modelle durch neue Daten und neue Informationen fortwährend weiterentwickeln, wird sich die Genauigkeit der Cardisiographie zukünftig kontinuierlich weiter verbessern.
Die erfassten Daten laufen im Cardisio HealthNet zusammen. Was passiert dort mit ihnen?
Baumeister: Nachdem die Daten im Rechenzentrum ankommen sind, werden sie direkt in einen Algorithmus - unsere künstliche Intelligenz – gespeist. Dort sind 25 neuronale Netze miteinander verknüpft, die dann die 290 Parameter pro Herzschlag berechnen. Danach erfolgen verschiedene Statistiken, um Signifikanzen und Korrelationen zu entdecken. Aus dem Ergebnis ermittelt das neuronale Netz die Werte für den Cardisio-Index.
Die neuronalen Netze wurden mit Daten von Patienten, die mit der Cardisiographie und einem Herzkatheter untersucht wurden, trainiert. Im Nachhinein wurden die Ergebnisse verglichen, um zu überprüfen, ob das Ergebnis von Cardisio mit dem des Katheters übereinstimmt. Alle Daten, bei denen die Ergebnisse übereinstimmten, wurden für das Training der neuronalen Netze genutzt.
Welche Eigenschaften sind es, die die Cardisiographie von herkömmlichen medizinischen Geräten zur Erkennung von Herzkrankheiten unterscheidet?
Baumeister: Zum einen ist es die Genauigkeit. Es gibt momentan nichts Vergleichbares, abgesehen von einem Herzkatheter, der allerdings invasiv und aufwendig ist. Des Weiteren ist die Geschwindigkeit des Testes mit maximal 4 Minuten sehr schnell. Darüber hinaus ist die Cardisiographie recht unkompliziert anwendbar und sehr kostengünstig.
Sie sind ein Start-up aus Frankfurt und bereits international vertreten - welche Ziele wollen Sie in Zukunft erreichen?
Baumeister: Unser größtes Ziel ist es, die Cardisiographie in die kardiologischen Guidelines zu bekommen. Außerdem soll es nach Möglichkeit flächendeckend eingesetzt werden, um so vielen Menschen wie möglich dabei zu helfen, ein eventuell bestehendes Risiko für eine Koronarerkrankung frühzeitig zu erkennen und somit einen zukünftigen Herzinfarkt zu verhindern. Denn je früher es erkannt wird, desto eher kann man vorbeugende, sehr effektive therapeutische Maßnahmen treffen. Es gibt recht einfache Mittel, um den weiteren Verlauf der Krankheit zu stoppen. Insofern ist es unser Anliegen, die Cardisiographie möglichst allen Menschen zur Beobachtung von Herzkrankheiten zugänglich zu machen.