Ultraschall to go: vielseitiger Partner für die Visite
Ultraschall to go: vielseitiger Partner für die Visite
Interview mit Dr. Florian Recker, Lehrbeauftragter, Zentrum für Geburtshilfe und Frauenheilkunde, Universitätsklinikum Bonn
08.04.2020
Das Ultraschallgerät, das seit kurzem in Bonn eingesetzt wird, hat Platz in der Kitteltasche. Es muss lediglich ans Tablet oder Smartphone angeschlossen werden, dann ist es einsatzbereit. Mit dem portablen System ist somit eine Untersuchung direkt am Krankenbett möglich. Profitieren sollen vor allem Studierende, die durch das System Grundlagenwissen und klinische Anwendung verknüpfen können.
Dr. Florian Recker, Lehrbeauftragter, Zentrum für Geburtshilfe und Frauenheilkunde, Universitätsklinikum Bonn
Im Interview mit MEDICA.de spricht Dr. Florian Recker über das neue Ultraschallsystem, warum damit zukünftig unterschiedliche Schallkopftypen obsolet sind und welche Rolle Künstliche Intelligenz dabei spielt.
Herr Dr. Recker, seit kurzem setzen Sie ein neues Ultraschallsystem ein. Was ist das Besondere daran?
Dr. Florian Recker: Das System nennt sich Butterfly iQ und wurde in den USA entwickelt. Besonders und neu ist zunächst einmal die Größe des Geräts. Es kann in der Kitteltasche transportiert und an Android- oder iOS-Geräte angeschlossen werden. Das gibt es auch von anderen Herstellern, aber das Besondere an diesem Gerät ist, dass kein piezoelektrischer Kristall mehr vorhanden ist. Die Firma hat einen siliziumbasierten Chip entwickelt, der vibriert und dadurch eine Ultraschallwelle aussendet. Das wiederum hat den Vorteil, dass dieser eine Schallkopf verschiedenste Frequenzen und Schallmuster und damit auch verschiedene Schallkopftypen imitieren kann. Früher haben wir noch verschiedene Schallköpfe wie Linear-, Sektor- oder Curved Schallköpfe benötigt – heute reicht dieser eine Schallkopf, der alle drei Schallköpfe imitiert.
Angeschlossen ans Smartphone ist das Ultraschallgerät direkt einsatzbereit.
Welche technischen Voraussetzungen gibt es für die Nutzung?
Recker: Neben dem Gerät als solches, also dem Schallkopf, benötigt man immer noch ein Tablet oder Smartphone als Monitor. Ursprünglich gab es das Gerät nur für iOS, womit es auf Apple-Geräte, also iPad und iPhone, limitiert war. Seit Anfang des Jahres kann es auch mit Android-Geräten verknüpft werden. Außerdem kann man die Nutzung mit einem kostenpflichtigen Cloud-Dienst kombinieren, den die Firma zur Verfügung stellt und der DSGVO-konform ist. Zum einen können Patientendaten in die Cloud geladen werden. Zum anderen ermöglicht es den Zugriff auf eine Lehrdatenbank mit Lehrvideos für bestimmte Untersuchungsmethoden oder auch auf KI-gestützte Programme. Damit können dann zum Beispiel Berechnungen der Ejektionsfraktion am Herzen oder die Harnblasenvolumetrie automatisiert direkt im System durchgeführt werden, ohne dass man vorher irgendwelche Messungen mit dem Gerät vornehmen muss. Außer Cloud-Dienst und Tablet oder Smartphone benötigt man nichts Weiteres für die Nutzung.
Wie läuft eine Untersuchung damit ab?
Recker: Das Gerät ist auf Visite immer in der Kitteltasche dabei. Egal, um welche Fragestellung es sich handelt – Pleuraergüsse, Aszites, Größe des Aszites –, auf Visite schließen wir den Schallkopf ans Tablet oder Smartphone an und können diese Fragestellung direkt vor Ort lösen. Es gibt also keinen speziellen Raum mehr, in dem das große Ultraschallgerät steht. Die Untersuchungen finden direkt am Patientenbett statt und ermöglichen damit eine Point-of-Care-Sonographie.
In Bonn wird das neue Ultraschallsystem zur Ausbildung der Medizinstudenten eingesetzt.
Sie setzen das System speziell für die Lehre ein. Warum?
Recker: In Kooperation mit unserem Leiter für Rheumatologie, PD Dr. Valentin Schäfer, nutzen wir das System in einer didaktischen Studie. Der Preis war dabei ein großer Vorteil. Ein Gerät kostet ungefähr 2.000 Euro, sodass wir gleich mehrere anschaffen konnten. Wir möchten den Studierenden damit eine grundlegende und umfassende Ultraschallausbildung ermöglichen, die es so aktuell nur an den wenigsten deutschen Universitäten gibt. In den klinischen Blockpraktika und Famulaturen sollen die Geräte direkt am Patienten eingesetzt werden. Studierende können damit nicht nur die physiologische Sonographie an sich trainieren – das wurde bisher auch schon untereinander im Peer-Teaching-Format betrieben –, sondern direkt auf der Station Patienten schallen und mit der Pathologie verknüpfen. Bislang bestand die körperliche Untersuchung am Patientenbett aus der Auskultation des Herzens oder der Lunge via Stethoskop. Nun wird hier auch die Sonographie integriert. Die Hoffnung ist, dass die Studierenden perspektivisch ein zusätzliches Tool für Untersuchungen beim Patienten haben. Damit kann in Zukunft eine schnellere und bessere Patientenversorgung gewährleistet werden.
Das portable Ultraschallgerät bietet zahlreiche Einsatzmöglichkeiten, zum Beispiel in der Notfallmedizin.
Wo soll das System perspektivisch alles eingesetzt werden?
Recker: Das Gerät kann natürlich auch außerhalb der Lehre im klinischen Alltag eingesetzt werden. Worüber aktuell diskutiert wird, ist der Einsatz des Geräts in der muskuloskelettalen Sonographie, zum Beispiel bei rheumatologischen Erkrankungen. Für schnelle Check-ups der Kindslage im Kreißsaal ist es hilfreich. Außerdem haben wir das Gerät mit unseren Radiologen geprüft. Es kann auch für einfache Fragestellungen in der Urologie und in den onkologisch-internistischen Fächern Einsatzmöglichkeiten bieten. In den USA wird es beispielsweise in den Notfallzentren und außerhalb der Klinik im Rettungswagen oder Helikopter genutzt. Da es sich um ein Pocket-Size-Ultraschallgerät handelt, das direkt Berechnungen durchführt, die notfallsonographisch relevant sind, ist es für die Notfallmedizin von großem Nutzen.
Inwiefern werden neue Technologien dieser Art die Medizin der Zukunft prägen?
Recker: Digitale Angebote, auch gekoppelt mit Künstlicher Intelligenz oder Virtual und Augmented Reality, werden in den nächsten Jahren immer mehr Einzug in die klinische Welt halten. Durch Miniaturisierung wie auch durch Preissenkung solcher Technologien werden sie breiter verfügbar gemacht. KI ermöglicht außerdem eine schnellere und oft fehlerfreiere Abhandlung klinischer Prozesse. Wir sehen ja bereits in der Bildgebung, dass KI die Befunde unterstützt und dem Radiologen heutzutage zur Seite steht. Digitalisierung verändert die Medizin Schritt für Schritt und wird den klinischen Alltag definitiv verändern.
Das Interview wurde geführt von Elena Blume. MEDICA.de