In der Genetik könnten wir in Zukunft die Stärke der Algorithmen ausnutzen, denn hier fallen enorme Datenmengen an: Der Mensch hat etwa 25.500 Gene, die einzeln oder in Kombination Krankheiten verursachen können, denn Gene bestimmen die molekularen Abläufe im Körper, die darüber entscheiden, ob wir gesund oder krank sind. Wegen der großen Anzahl der Gene und ihrer Effekte bietet sich die maschinelle Suche nach Mustern an.
Das Projekt MoSBi an der TU München will molekulare Mechanismen von Krankheiten betrachten, um so Subtypen von Erkrankungen zu unterscheiden, die sich, wenn man lediglich die Symptome betrachtet, stark ähneln. Die Unterscheidung kann jedoch für die richtige Therapieentscheidung wichtig sein, um Maßnahmen für eine gezieltere Behandlung zu ergreifen.
"Das prominenteste Beispiel ist vermutlich Krebs", erklären Dr. Josch Konstantin Pauling und Tim Rose im Interview mit MEDICA.de. "Eine Vielzahl von Mutationen können zu der Veränderung eines Gewebes führen, sodass dieses sich zu einem Tumor entwickelt. Ärztinnen und Ärzte betrachten die individuellen Veränderungen im Tumor und passen die Behandlung dementsprechend an."
Das Team hinter MoSBi hat seinem Algorithmus als eine webbasierte Anwendung verfügbar gemacht, die Forscherinnen und Forscher kostenlos nutzen können, um Daten aus eigenen Studien zu analysieren.
Ein weiteres Beispiel für den Nutzen von Big Data und Algorithmen in der Labormedizin ist die Einzelzell-Sequenzierung. Ein Team des Max-Delbrück-Centrums für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft hat für dieses Verfahren den ikarus-Algorithmus entwickelt: "Wir haben eine Software entwickelt, die mit Einzelzell-Auflösung arbeitet und Genexpressionsmuster für bestimmte Zelltypen bestimmen kann. Im Falle von Krebserkrankungen fand das Programm in den Tumorzellen ein krebsübergreifendes Muster, bestehend aus einer charakteristischen Kombination an Genen", erklärt Dr. Altuna Akalin im Interview mit MEDICA.de.
Diese Erkenntnis kann nicht nur die Diagnose erleichtern: Gewebeproben, die potenziell Krebszellen enthalten, werden bisher von Pathologinnen und Pathologen rein optisch untersucht. Das heißt, unterschiedliche Zelltypen müssen unter dem Mikroskop identifiziert werden. Wenn durch den ikarus-Algorithmus in Zukunft mehr Informationen über einen Tumor und seine Umgebung verfügbar werden, kann sich das auch auf die medikamentöse Therapie auswirken.