Schätzungsweise leben in Österreich bis zu 150.000 Menschen mit einer demenziellen Beeinträchtigung. Aktuellen Prognosen zufolge soll sich diese Zahl bis 2050 sogar noch verdoppeln. Das Syndrom äußert sich im Alltag vor allem durch chronische oder fortschreitende Funktionsverluste von Nervenzellen (Neurodegeneration), die nach und nach den Alltag der Betroffenen immer schwieriger werden lassen – etwa durch Probleme bei der Merkfähigkeit, Sprache oder räumlichen Orientierung. Die Komplexität und Unheilbarkeit erfordern einen sorgfältigen und vor allem evidenzbasierten Umgang mit Patientinnen und Patienten aber auch allen anderen beteiligten Akteure.
Das AIHTA hat nun in einer Studie verschiedene Demenz-Qualitätsregister analysiert und damit zusammenhängende Qualitätsindikatoren abgleitet, die bei der Entwicklung optimaler Versorgungspfade in Bezug auf Demenz hilfreich sind. Insgesamt wurden sechs nationale Qualitätsregister aus Australien, Dänemark, Irland, Norwegen und Schweden analysiert, die ein breites Spektrum an Demenz-Formen abdecken und neben dem gemeinsamen Ziel einer verbesserten Demenzversorgung auch eine verbesserte Vernetzung mit der Forschung anstreben. Die Governance-Strukturen gestalteten sich zwar heterogen, teilten aber auch Gemeinsamkeiten. So bildete etwa eine multiprofessionelle Steuerungsgruppe eines der Kernelemente aller untersuchten Demenz-Qualitätsregister. "Diese Expertengruppen setzen sich aus Praktikerinnen und Praktiker aus der Demenzversorgung, Forschenden sowie betroffenen Patientinnen / Patienten und Betreuungspersonen zusammen und stehen hinter den administrativen, rechtlichen, ethischen und wissenschaftlichen Entscheidungen“ erläutert Christoph Strohmaier, Leiter der Studie und Gesundheitsökonom am AIHTA.
Neben den Governance-Strukturen ergaben sich auch beim Datenmanagement Gemeinsamkeiten über alle Register hinweg. Alle untersuchten Demenz-Qualitätsregister verwendeten einen sogenannten Mindestdatensatz, d.h. einen Mindestsatz gemeinsamer Datenelemente, die alle Einrichtungen für eine standardisierte Datenerfassung in der Sekundär- und Primärversorgung verwenden sollten. Die Anzahl der gesammelten Datenelemente ließ sich in mehrere Kategorien einteilen, variierte aber zwischen den Registern stark: So erhob das irische Register beispielsweise 56 Datenelemente, während das schwedische Register (BPSDR) nur 10 Datenelemente aufwies. Neben Unterschieden bei den Maßnahmen zur Qualitätssicherung, der Dateneingabe und Validierungsmethoden ergaben sich Übereinstimmungen v.a. im Datenschutz (für EU-Register auf Basis der DGSVO) und der Datennutzung für Forschungszwecke. Darüber hinaus wurden alle identifizierten Qualitätsregister staatlich finanziert, was daran liegt, dass nationale Demenz-Aktionspläne oder –Strategien in allen fünf Ländern die Grundlage für das Ziel der Qualitätsverbesserungen anhand von Registerdaten bilden, betont der Studienautor Christoph Strohmeier vom AIHTA.
Auf Grundlage des Mindestdatensatzes werden in jedem Qualitätsregister sogenannte Qualitätsindikatoren gebildet. Dabei handelt es sich in den meisten Fällen um Proportionskennzahlen, die den gewünschten Qualitätsstandard in drei Dimensionen (Prozess-, Struktur, Ergebnisqualität) abbilden sollen. Diese Indikatoren beruhen in den meisten Fällen auf einer konsensbasierten Entscheidung der jeweiligen Steuerungsgruppen. Ausschließlich die beiden schwedischen Register gingen bei ihrer Auswahl der Qualitätsindikatoren explizit von der schwedischen Nationalen Leitlinie für die Versorgung von Demenzbetroffenen aus. Insgesamt identifizierte die Analyse 46 individuelle Qualitätsindikatoren aus den Kategorien Prädiagnose, Diagnose und diagnostische Abklärung, Behandlungs- und Unterstützungsmaßnahmen, Ergebnisbezogene – und Meta-Indikatoren.
Der abschließende Teil des AIHTA-Berichts fokussiert schließlich auf spezifische Aspekte von Demenz-Qualitätsregistern, die Entscheidungsträgerinnen und-träger im Gesundheitswesen beachten müssen. Diese Aspekte umfassen beispielsweise die Abklärung von Verantwortlichkeiten und Fragen der Finanzierung bereits in der Planungsphase oder Strategien zur Rekrutierung von Patientinnen bzw. Patienten und Leistungserbringern sowie die Auswahl der Qualitätsindikatoren. "Die Nutzung von großen Qualitätsindikatoren-Sets ist nicht empfehlenswert. Der Schwerpunkt sollte auf evidenz- und konsensbasierter Qualität und nicht auf Quantität liegen. Sorgfältig validierte Skalen sollten verwendet werden, um patientenbezogene Endpunkte und darauf aufbauende Qualitätsindikatoren zu messen“, betont Christoph Strohmaier. Darüber hinaus sind Aspekte der Intraoperabilität zu gewährleisten, d.h. eine Verknüpfung der Demenz-Qualitätsregister-Daten mit anderen Gesundheitsdatenbanken sicherzustellen. Ein effizientes Funktionieren erfordert letztlich die Zusammenarbeit aller betroffenen Akteuren über alle Versorgungsebenen hinweg – nur so können Qualitätsverbesserungen in der Demenzversorgung herbeigeführt werden.
MEDICA.de; Quelle: Austrian Institute for Health Technology Assessment GmbH