Eine Widerspruchslösung scheint ein entscheidender Faktor für den Erfolg der elektronischen Patientenakte (ePA) für alle Versicherten zu sein. In einer repräsentativen, von der Bertelsmann Stiftung und der Stiftung Münch beauftragten Studie gaben zwei Drittel der Befragten an, dass sie die Widerspruchslösung bei der ePA befürworten. Selbst unter denen, die die ePA für sich ablehnen, äußert eine relative Mehrheit von 42 Prozent Zustimmung zum sogenannten Opt-out-Verfahren. Bisher muss die ePA vor der Einrichtung vom Versicherten aktiv freigeschaltet werden (Opt-in). Auch die Befüllung mit Daten und deren Nutzung in der Arztpraxis oder im Krankenhaus erfordern ein individuelles Einverständnis. "Dieses komplizierte Einwilligungsverfahren dürfte einer der Gründe sein, weshalb in Deutschland bisher nicht einmal ein Prozent der Versicherten die ePA nutzen. In Österreich, wo Opt-out schon seit Jahren gilt, sind es 97 Prozent. Mit Opt-out kann auch in Deutschland die ePA zur Datendrehscheibe im Gesundheitswesen werden“, erläutert Stefan Etgeton, Gesundheitsexperte der Bertelsmann Stiftung.
Denn aus den Befragungsergebnissen geht hervor, dass das Potenzial der ePA durchaus gesehen wird: Drei Viertel aller Befragten wollen sie nutzen; in Ostdeutschland fällt die Bereitschaft mit zwei Dritteln allerdings etwas geringer aus. Den Nutzen der ePA sehen die meisten vor allem im Versorgungsalltag: Von einem schnellen und umfassenden Zugriff auf Informationen in der Ärztinnen- und Arztpraxis versprechen sich die Befragten eine bessere medizinische Behandlung. Mehr als ein Drittel (37 Prozent) erwartet sogar eine Verbesserung im Arzt/Ärztin-Patienten/Patientinnen-Verhältnis. Die größten Vorbehalte bestehen hinsichtlich des Datenschutzes und der Datensicherheit. Knapp die Hälfte der Befragten (48 Prozent) äußert hier Bedenken. Die Angst vor Datenmissbrauch sowie der Wunsch nach möglichst umfassender Kontrolle über die eigenen Daten sind im Osten ausgeprägter als im Westen.
Das weitaus größte Vertrauen beim Umgang mit den Gesundheitsdaten genießt die Ärzteschaft, deutlich vor den Krankenkassen. Mit 47 Prozent gibt fast die Hälfte der befragten Personen an, dass die Hausarztpraxis die ePA befüllen soll. 40 Prozent der Befragten würden ihre Daten generell für alle behandelnden Ärztinnen und Ärzte freigeben. Etwa die Hälfte würde jedoch gern selbst entscheiden, wer was zu sehen bekommt. "Die einen wollen, dass digital vorhandene Informationen von den Gesundheitsprofis auch ungefragt genutzt werden können. Die anderen möchten lieber die Hoheit über die eigenen Daten behalten. Die ePA kann unter Opt-out-Bedingungen beiden Gruppen gerecht werden: Die Daten werden automatisch eingestellt und genutzt, lassen sich aber jederzeit auch sperren. Die Versicherten verlieren daher niemals die Kontrolle“, erklärt Prof. Boris Augurzky, Vorstand der Stiftung Münch.
Neben den notwendigen technischen Vorbereitungen für die Umstellung auf das Opt-out-Verfahren komme der Kommunikation rund um die neue ePA eine erhebliche Bedeutung zu, betont Etgeton. Diese müsse die jeweiligen Zielgruppen – Versicherte, Ärzteschaft und Krankenkassen – spezifisch ansprechen, mögliche Vor-behalte aufgreifen, aber vor allem den Nutzen der ePA ins Zentrum stellen. Beschäftigte im Gesundheitswesen verdienen aufgrund ihrer Doppelrolle hierbei besondere Beachtung: Sie müssen von den Vorzügen der ePA überzeugt sein, um die Versicherten glaubwürdig überzeugen zu können.
MEDICA.de; Quelle: Stiftung Münch