Prof. Hein, wofür können die Geräte perspektivisch im medizinischen Bereich eingesetzt werden?
Prof. Andreas Hein: Die Vision von Hearables ist, dass sowohl Hörgeräte als auch miniaturisierte Kopfhörer durch zusätzliche Sensoren Gesundheitsdaten erfassen. Damit könnten wir jüngere Zielgruppen erreichen und Entwicklungen über längere Zeit beobachten, um früher Defizite oder eine Entwicklung von Krankheiten festzustellen.
Mit zusätzlicher Sensorik der Wearables am Ohr können zum Beispiel die Sauerstoffsättigung gemessen werden, Puls und Herzfrequenz-Variabilität, mit eingeschränkten EEG auch die Gehirnaktivität. Die Daten werden dann in das Smartphone übertragen, wo wir eine KI basierte Auswertung vornehmen.
Wir wollen Muster und Symptome erkennen, wie zum Beispiel Schluckbeschwerden. Sie lassen sich messen als Beschleunigung am Ohr und als Aktivierung der Kaumuskeln. So können wir abnormales Verhalten feststellen, werden aber keine Diagnostik vornehmen.
Welche Entwicklungen sind dafür notwendig?
Hein: Wir sammeln und validieren diagnostische Informationen für eine Früherkennung. Im Bereich der Geriatrie geht es zum Beispiel um Mobilität und Sturzrisiken. In der Neurologie haben wir Verhaltensänderungen im Blick, die über die Laufzeit von Parkinson auftreten, wie Mobilitätsstörungen oder Schluckstörungen.
Für diese Krankheitsbilder können wir Informationen aus der ohrnahen Sensorik ableiten. Die Ergebnisse müssen für die behandelnden Ärztinnen und Ärzte übersetzt und durch KI aufbereitet werden. Da wir die Trägerinnen und Träger von Hörgeräten den ganzen Tag in ihrem normalen Leben beobachten, erwarten wir eine deutlich höhere Varianz und müssen den Kontext verstehen. Möglicherweise erfassen wir dabei sensible Daten, aus Datenschutzgründen beschränken wir uns aber auf bestimmte Eigenschaften der Sprache. Wir betrachten zum Beispiel die Flüssigkeit, die Stockungen und mögliche Veränderungen in der Stimme, die auf emotionale oder körperliche Veränderungen zurückzuführen sind. Die Inhalte von Gesprächen werden nicht erfasst.