Weltweit blüht der Markt für gefälschte Arzneimittel auf. Etwa jedes zehnte im Internet erworbene Arzneimittel ist eine Fälschung, sagt eine Schätzung der Weltgesundheitsorganisation WHO aus dem Jahr 2020. Betroffen ist eine große Bandbreite von Produkten – angefangen von Lifestyle-Arzneimitteln wie Schlankheits- oder Haarwuchsmittel bis hin zu lebenswichtigen Medikamenten, etwa Mitteln gegen Krebs, Schmerzen oder Bluthochdruck. Um Verbraucherinnen und Verbrauchern eine Möglichkeit zu geben, die Echtheit von Medikamenten aber auch von Produkten aller Art zu bestätigen, haben die Fraunhofer-Institute für Angewandte Polymerforschung IAP, für Sichere Informationstechnologie SIT und für Offene Kommunikationssysteme FOKUS ein neuartiges Kennzeichnungssystem entwickelt – SmartID.
"Mit SmartID kann jeder in der Lieferkette ein Produkt, das einen SmartID-Code trägt, direkt per Smartphone verifizieren und authentifizieren – offline, also ohne auf eine Datenbank zugreifen zu müssen", erklärt Dr. Tobias Jochum, der das Projekt koordiniert und am Fraunhofer-Zentrum für Angewandte Nanotechnologie CAN in Hamburg, einem Forschungsbereich des Fraunhofer IAP, tätig ist. "Wir machen uns dabei die Tatsache zunutze, dass jede Verpackung eine einzigartige, charakteristische Oberflächentextur aufweist – wie bei einem menschlichen Fingerabdruck – und, dass handelsübliche Smartphone-Kameras in der Lage sind, diese Oberflächentextur zu erfassen", so Jochum.
Der Clou an dem System: Die Information über die Textur der Oberfläche wird digitalisiert, in einen Barcode umgewandelt und auf die Verpackung gedruckt. Mit der im Projekt entwickelten SmartID-App wird dann geprüft, ob die Informationen, die im Barcode gespeichert sind, mit den Daten aus der erfassten Oberflächenstruktur übereinstimmen. Es entsteht ein fälschungssicherer Barcode, der darüber hinaus auch weitere Informationen zu dem Produkt enthalten kann. Vorteilhaft für Hersteller ist, dass keine IT-Infrastrukturen aufgebaut werden müssen, denn Verifikation und Authentifizierung finden ausschließlich innerhalb der SmartID-App auf dem Smartphone statt. Auf eine Datenbank kann somit verzichtet werden. Zudem lässt sich das System einfach in kommerzielle Druckprozesse bei der Herstellung der Verpackung integrieren.
"Eine wichtige Anforderung an das SmartID-Konzept ist, dass der Barcode und die Fläche zum Abgleich der Oberflächentexturen möglichst klein sind. Im weiteren Verlauf des Projekts optimieren wir das System daher hinsichtlich seiner benötigten Fläche und auch seiner Sensitivität. Quantenmaterialien übernehmen hierbei eine Schlüsselrolle. Sie machen es möglich, dass auf kleinerer Fläche deutlich mehr Merkmale der Oberflächentextur detektiert werden können", so Jochum.
Seit drei Jahren entwickelt das Forschungsteam das Kennzeichnungssystem stetig weiter und erweckt damit Aufmerksamkeit. "Die Interessenten für SmartID kommen aus verschiedensten Industriezweigen, in denen hochwertige Produkte verkauft werden – z. B. aus den Bereichen Innenausstattung, Maschinenbau, dem Druckereigewerbe oder auch aus dem Medizinbereich. Hier geht es u. a. auch um Schutztextilien wie Atemschutzmasken", erklärt Jochum.
"Aktuell stecken wir zwar noch in der Projektentwicklungsphase, dennoch führen wir bereits erste Lizenzverhandlungen für die SmartID-Technologie", freut sich Jochum. Der Partner ist die evia research GmbH. Sie möchte SmartID in der Modebranche einsetzen: "Die Absicherung auf Einzelproduktebene auf Basis einzigartiger Oberflächentexturen überzeugte uns auf ganzer Linie. Außerdem finden wir das Konzept der Offline-Verifikation, also den Verzicht auf eine Datenbank, sehr gut, sodass wir unseren Kunden ein innovatives und nachhaltiges Produkt anbieten können", erklärt Steffen Tauber von der evia research GmbH.
"Die Vielfalt der Anfragen, die an uns herangetragen werden, zeigt uns, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Wir freuen uns bereits auf interessante Gespräche und darauf, neue Anwendungsbereiche für SmartID auf der MEDICA kennenzulernen. Hier können sich Firmen direkt einen Eindruck von unserem Demonstrator verschaffen", erklärt Jochum.
MEDICA.de; Quelle: Fraunhofer-Gesellschaft