Anwendungen, die auf Künstlicher Intelligenz und Machine Learning basieren, könnten uns schon bald regelmäßig in der Praxis begegnen. Patientinnen und Patienten selbst werden davon wahrscheinlich nichts merken, aber für Ärztinnen und Ärzte wird KI in der Diagnostik einen großen Unterschied machen.
KI und Machine Learning greifen dort ein, wo Ärztinnen und Ärzte die meiste Arbeit haben: beim Finden der richtigen Diagnose. Bei vielen Erkrankungen beschränkt sich die Diagnostik zwar auf das Betrachten eines einzigen Laborwertes oder einer Aufnahme. Aber bei komplexeren Fällen müssen alle vorhandenen Daten zu einem aussagekräftigen Bild verbunden werden, um daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen.
Das kostet nicht nur Zeit, sondern ist auch ermüdend. Hier kommen KI-Anwendungen ins Spiel, denn im Gegensatz zum Menschen können sie ohne Pause arbeiten. KI erkennt Muster in Daten und kann daraus auf bestimmte Ergebnisse schließen. Dabei trifft eine KI natürlich nicht selbst eigene Diagnose, sondern schlägt einem Menschen lediglich Diagnosen vor, die dieser wiederum bestätigen muss.
Bei unserem zweiten Tauchgang am 13. Oktober 2022 sprangen wir in die Tiefen der KI und haben uns angesehen, wie sie den Schritt von der Entwicklung in die Praxis schafft. Dabei unterstützten uns wieder drei Experten mit ihrer Erfahrung in Entwicklung und Anwendung.
Dr. Jan Alexandersson
KI erlebt ein großes Interesse, die Medizinwelt ist gespannt, ob KI sie auf die nächste Stufe heben kann. Jedoch sollte bei der ganzen Begeisterung für KI das Thema auch kritisch betrachtet werden. Dr. Jan Alexandersson, Leiter des AAL Competence Centers am Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz DFKI, mahnt, dass wir mit KI achtsam umgehen sollten: "Wir müssen vorsichtig sein: KI ist wie ein Messer, mit dem man Brot schneiden kann. Man kann aber auch eine Kehle damit durchschneiden, also müssen wir sehr, sehr vorsichtig sein, wie man sie benutzt."
Dr. Boris Stanzel, Leiter der klinischen Forschung und des Makulazentrums Saar, Augenklinik Sulzbach, ist begeistert von den Möglichkeiten, die KI bietet. Laut ihm könne KI praktizierende Ärztinnen und Ärzte übertreffen. Wichtig ist hier jedoch zu erwähnen, dass sich alle Diskussionsteilnehmer einig waren, dass KI Menschen nicht ersetzen kann und soll, vielmehr soll sie unterstützend agieren: "KI kann genauer, und mit größerer Zuverlässigkeit, mehr erkennen als zum Beispiel eine Netzhautspezialistin oder ein Netzhautspezialist mit 15 Jahren Berufserfahrung. Dieser wird sogar von der Künstlichen Intelligenz übertroffen."
Aus dem MB-Monitor 2022 des Marburger Bundes geht hervor, dass 32% aller Ärztinnen und Ärzte den täglichen Zeitaufwand für administrative Tätigkeiten auf vier Stunden täglich schätzen. Auch Dr. Stanzel ist dieser Zeitaufwand ein Dorn im Auge: "Die Zeit für die Patientenbetreuung wird durch den Verwaltungsaufwand beeinträchtigt. KI könnte dieses Problem lösen, sodass mehr Zeit für Patientinnen und Patienten zur Verfügung steht."
Dr. Boris Stanzel
Alexandre Barral
Dadurch, dass KI Diagnosen vorschlagen soll, muss genau beachtet werden, wie sie Entscheidungen fällt. Alexandre Barral, International R&D und Growth Manager von Portal Telemedicina, erachtet die Transparenz von KI als sehr wichtig. "KI ist nicht wie Netflix. Wir müssen nicht wissen, warum Netflix uns einen bestimmten Film zeigt, aber im Gesundheitssektor müssen Ärztinnen und Ärzte oder Patientinnen und Patienten wissen, warum KI diese Art von Ergebnissen anzeigt und wie sie das tut." Barral fährt fort: "KI kann nicht wie eine Blackbox sein, wir brauchen Transparenz."
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