In Sachen Digitalisierung des Gesundheitssystems hat Deutschland massiven Nachholbedarf. Gleichzeitig erfreuen sich Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) immer größerer Beliebtheit. Sie lassen sich in App-Stores bequem herunterladen und unabhängig von Ort und Zeit benutzen. "Über eine mittelmäßige Gesamtqualität reichen viele der Demenz-Apps nicht hinaus“, sagt Michael Zeiler vom Lehrstuhl für Medizinische Informatik der FAU und wissenschaftlicher Mitarbeiter im Projekt Digitales Demenzregister Bayern (digiDEM Bayern). Das Ziel der Studie war es, den Nutzen deutschsprachiger, mobiler Gesundheitsanwendungen für Menschen mit Demenz und deren pflegende An- und Zugehörige zu bewerten.
Die Beurteilung der Nutzerqualität erfolgte dabei mit dem international anerkannten Bewertungsinstrument MARS-D ("Mobile App Rating Scale“, deutsche Version). Kriterien für die Nutzungsqualität waren unter anderem Funktionalität, Ästhetik, Informationsgehalt und Fragen zur Patientensicherheit und Güte des therapeutischen Angebots. "Der Bereich der Patientensicherheit erhielt sogar die niedrigste und damit schlechteste Bewertung“, erläutert Medizininformatiker Michael Zeiler. "Dies betrifft Fragen zu möglichen Risiken und schädlichen Effekten wie etwa falsche Rückmeldungen und unkorrekte Informationen. “
Des Weiteren untersuchten die Forschenden rund um Michael Zeiler die wissenschaftliche Evidenz von insgesamt 20 Gesundheits-Apps. Auch hier enttäuschten viele der vermeintlichen "digitalen Helfer“. "Die Wirksamkeit der meisten Demenz-Apps ist überhaupt nicht wissenschaftlich belegt. Wenn für derartige Demenz-Apps ohne Wirksamkeitsbelege Geld verlangt wird, so ist das "digitale Kurpfuscherei‘“, erläutert der Neurologe und Gesundheitsökonom Prof. Dr. Peter Kolominsky-Rabas. Nur zu sechs Apps, also bei 30 Prozent, lagen überhaupt Studien vor. Umgekehrt haben die Forschenden festgestellt: Über Anwendungen, die in der Qualitätsbewertung einen guten Wert erreichten, wurden häufig auch wissenschaftliche Artikel veröffentlicht.
"Je besser Gesundheits-Apps erforscht sind, desto besser gelingt die Gesundheitsversorgung und desto transparenter gestaltet sich der Markt der Digitalen Gesundheitsanwendungen", weiß Michael Zeiler. Bis auf wenige Ausnahmen zählen Gesundheits-Apps nicht als Medizinprodukte. Eine App muss zunächst ein Prüfverfahren durchlaufen, um vom Bundesamt für Arzneimittel- und Medizinprodukte (BfArM) als Digitale Gesundheitsanwendung in das entsprechende Verzeichnis aufgenommen zu werden. Auf diese Weise soll die Transparenz auf dem Markt gesteigert werden, welche Anwendungen die Anforderungen an Sicherheit, Funktionstauglichkeit, Qualität, Datenschutz und Datensicherheit tatsächlich erfüllen. "Der positive Versorgungseffekt ist nicht immer nachgewiesen. Wir fordern deshalb dringend, eine regelmäßige Qualitätsüberprüfung der Gesundheits-Apps nach strengen wissenschaftlichen Kriterien gemäß internationaler Standards vorzunehmen“, betont der Co-Autor der Studie, Prof. Dr. Peter Kolominsky-Rabas.
Die untersuchten Apps haben die Forschenden in vier Kategorien eingeordnet. Die Kategorie Informationen umfasst Apps, die Menschen mit Demenz und ihren pflegenden An- und Zugehörigen unterschiedliche Informationen über die Erkrankung zur Verfügung stellen. In der Kategorie Kognitives Training & Spiele finden sich Anwendungen, deren Hauptziel darin liegt, die kognitiven Fähigkeiten des MmD zu fördern und dadurch den kognitiven Abbau zu verlangsamen. Die pflegenden An- und Zugehörigen erhalten teilweise Trainingsideen, die ohne digitale Anwendungen gemeinsam durchgeführt werden können. Die Apps der Kategorie Screening haben das Ziel, mit Hilfe unterschiedlicher Tests kognitive Beeinträchtigungen festzustellen und den Anwendern bei einem entsprechenden Verdacht eine Arztkonsultation vorzuschlagen. In der Kategorie Unterstützungsmaßnahmen sind Anwendungen zusammengefasst, die den MmD oder deren pflegende An- und Zugehörige im Alltag unterstützen, indem zum Beispiel in einem Chatroom Bilder und Ereignisse miteinander geteilt werden können.
MEDICA.de; Quelle: Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg