So ermöglichen virtuelle Trainings eine bessere Vorbereitung für Notfallsituationen
Virtual Reality eröffnet neue Möglichkeiten in der medizinischen Ausbildung. Was bisher in vielen Anwendungen noch häufig als "Nice-to-have"-Methode angesehen wird, bekommt immer mehr handfeste Belege für die wirksame, dauerhafte Ergänzung zum herkömmlichen Lehrplan. Wie beispielsweise durch zwei Studien des Universitätsklinikums Würzburg, die sich mit virtuellen Trainingsszenarien für die Notaufnahme befassen.
Dr. Tobias Mühling leitet am UKW die Lehrklinik am Zentrum für Studiengangsmanagement und -Entwicklung (ZSME). Zusammen mit einem 3D-Startup aus München plant sein Team seit 2018 die virtuelle Notaufnahme "STEP-VR". Mit ihr werden Studierende seit 2020 an der Lehrklinik an komplexen Virtual Reality-Notfallszenarien ausgebildet.
Eine Szene aus dem VR-Training im Seminar
Dr. Mühling unterstützt eine Studentin, die sich in der virtuellen Notaufnahme befindet
Die Arbeitsgruppe Virtual Reality Simulation im Medizinstudium am Uniklinikum Würzburg erforscht die Lerneffekte von VR-Programmen. Dr. Mühling möchte herausfinden, wie man es schafft, dass „möglichst viele Lernerfahrungen bei den Studierenden ‚hängenbleiben‘, die dann auch später als Arzt oder Ärztin abgerufen werden können.“
Ein weiteres Thema sind VR-basierte Prüfungen: Funktionieren solche Prüfungen? Sind sie repräsentativ und fair? Was kosten sie? Lassen sich später im Bewerbungsverfahren auf eine Arztstelle vielleicht ebenfalls Assessments in VR durchführen? Die Studie zum Projekt wurde kürzlich im Journal of Medical Internet Research veröffentlicht.
Einige Erkenntnisse konnten schon gewonnen werden:
Prozent der Studierenden konnten die VR-Technologie problemlos verwenden
Euro sparte das VR-Training pro Semester im Vergleich zu physischen Stationen ein
von 57 VR-Datensätzen konnten ohne technische Probleme eingeschlossen werden
Vorteile des VR-Trainings im Medizinstudium generell
VR ermöglicht die Erstellung komplexer, immersiver Szenarien, die realistische Krankheitsverläufe in Echtzeit abbilden können. Studierende haben dadurch die Möglichkeit, beispielsweise die Wirkung von Medikamenten auf Kreislaufparameter zu erproben, was in der realen Welt nur eingeschränkt möglich ist. Gleichzeitig ist VR kosteneffizient und skalierbar: Anstelle von Schauspielpatienten und freigestellten Instruktoren benötigt jede Simulation lediglich ein Laptop und ein VR-Headset. Dadurch können Studierende intensiver mit Notfallsituationen vertraut gemacht werden als bisher.
Warum ist VR-Training besonders in der Notfallmedizin hilfreich?
Wie reagieren die Studierenden der Medizin auf die VR-Trainingsmethoden?
Mit professionell geplanter Einbindung zum optimalem Lernerfolg
Die VR-Trainings müssen sinnvoll eingesetzt werden. Wann haben sie einen echten Mehrwert?
Wenn Dr. Mühling über den sinnvollen Einsatz und reale Szenarien spricht, ist das zum einen eine Sache der Einbettung in den Lehrplan, zum anderen aber auch eine Sache der optimalen Umsetzung aus technologischer Sicht.
Für die technolgische Umsetzung sind unter anderem Andreas Malhofer und Annett Köhler vom Start-Up THREEDEE zuständig, die uns in der folgenden Übersicht weitere Tipps geben, wie ein VR-Traning optimal eingesetzt werden kann.
Integration in den Lehrplan
VR-Training sollte nahtlos in bestehende Lehrpläne eingebettet sein, um traditionelle Lehrmethoden zu ergänzen und nicht zu ersetzen. Klare Lernziele, abgestimmt auf den Lehrplan, und eine enge Zusammenarbeit mit Lehrkräften sind essenziell.
Interaktive und ansprechende Trainingsmodule
Die Module sollten interaktive Elemente wie Entscheidungsoptionen enthalten, um das Engagement der Teilnehmenden zu fördern. Dies erhöht die Motivation und den Lernerfolg.
Flexibilität und Anpassbarkeit
VR-Trainings müssen individuell an die verschiedenen Lernbedürfnisse und Lernrhythmen der Teilnehmenden angepasst werden können. Dadurch wird eine optimale Lernerfahrung ermöglicht.
Feedback-Mechanismen
Echtzeit-Feedback und detaillierte Analysen nach den Modulen helfen den Studierenden, gezielt an Schwächen zu arbeiten und Fortschritte zu erkennen.
Benutzerfreundlichkeit und Zugänglichkeit
Eine intuitive Benutzeroberfläche und klare Anweisungen sorgen dafür, dass die Teilnehmenden das Training problemlos absolvieren können. Dies minimiert technische Hürden und steigert die Effizienz.
Eine weitere Studie: Die Multiplayer-Version für interprofessionelles Training
In diesem Video wird eine Multiplayer-Version gezeigt, ein weiteres Projekt, das derzeit mit einer Studie begleitet wird. Dieses Szenario ist darauf angelegt, Fähigkeiten wie Kommunikation und Zusammenarbeit in Notfallsituationen mit mehreren Studierenden gleichzeitig zu ermöglichen.
Zusammenarbeit will geübt sein
Dr. Mühling betont: "Erfolgreiche interprofessionelle Zusammenarbeit ist ein entscheidender Faktor für die Patientensicherheit in der Notfallversorgung. Seit April 2024 erforschen wir, wie Pflegeschüler, Pfelgeschülerinnen und Medizinstudierende in gemeinsamen VR-Szenarien verschiedene Facetten der Teamarbeit erlernen können."
Hierzu nutze das Team etablierte Konzepte und passt diese zusammen mit Experten für den neuen Kontext der VR-Umgebungen an.
Das Ziel des Teams:
"Damit können wir zukünftig objektiv und verlässlich die Qualität der Teamzusammenarbeit messen. Das Interesse an dem Konzept war sehr groß, sodass diese Studie nun an fünf weiteren Standorten in Deutschland ausgerollt wird. Die ersten Ergebnisse wird es voraussichtlich im zweiten Halbjahr 2025 geben", so Dr. Mühling.
Der richtige Kompromiss zwischen Abstraktion und Realismus ist zentral – sowohl bei der visuellen Gestaltung als auch bei der Umsetzung von Interaktionen und Programmlogik.
Wesentlicher Erfolgsfaktor für qualitativ hochwertiges Training: die Programmierung
Der Spagat zwischen Realität, Nutzerfreundlichkeit und Abstraktion bei der Programmierung
Komplexe Trainingssituationen im medizinischen Umfeld zu erstellen erfordert einiges an Erfahrung. Annett Köhler beschreibt den Spagat zwischen Abstraktion und Realismus: „Zu viel Vereinfachung verwässert das Gefühl, in der VR-Umgebung präsent zu sein, und beschneidet die tatsächlichen Lerninhalte. Wenn alles sehr detailliert und realitätsgetreu nachgebildet wird, steigt nicht nur der Entwicklungsaufwand extrem an, es wird auch zunehmend schwieriger, eine stringente und verständlich kommunizierbare Nutzererfahrung zu gewährleisten.“
Sie betont: „Im Idealfall nutzt die virtuelle Welt die Möglichkeiten gängiger VR-Systeme optimal aus. Auf der Inputseite bedeutet das die Nutzung von Kopf- und Handpositionen, einige Knöpfe an den Controllern und das Mikrofon. Auf der Outputseite sollten das stereoskopische Bewegtbild, Ton und (vereinfachtes) haptisches Feedback optimal genutzt werden. Dabei finde ich es wichtig, von der Simulation nicht mehr zu verlangen, als Input und Output bieten können.“
So lassen sich ihrer Meinung nach beispielsweise Untersuchungen wie das Abtasten oder Sonographieren eines Patienten als Prozesse abbilden. Dennoch solle man (zumindest ohne weitere Hardware) nicht erwarten, die nötigen haptischen Elemente simulieren zu können, wenn diese Untersuchungen an sich als zentrale Lerninhalte zu vermitteln wären.
Welche Funktionen könnten in Zukunft aus technologischer Sicht möglich werden?
Ein positiver Ausblick für die Lerneffekte mit VR-Trainings in allen Gesundheitsberufen
Virtual Reality bringt frischen Wind in die medizinische Ausbildung: Studierende können in einer virtuellen Notaufnahme Notfallszenarien wie Sepsis oder Anaphylaxie sicher und interaktiv trainieren. Ohne den Aufwand von Schauspielpatienten entstehen lebensechte Situationen, die eigenständige Entscheidungen fördern. Und das ist erst der Anfang – neue Möglichkeiten für Trainings und Prüfungen aufgrund von technologischen Weiterentwicklungen können die Lernerfolge in Gesundheitsberufen nachhaltig verstärken.
Multimediale Redaktion und Umsetzung: Natascha Mörs