Was war Ihre Ausgangslage?
Christ: Eine Wundeinlage auf der Basis von Kieselgelfasern hat bereits eine Zulassung als Medizinprodukt. Hier konnte gezeigt werden, dass unser Fasersystem und das Abbauprodukt Monokieselsäure einen positiven Effekt auf die Wundheilung haben.
Diese Effekte wollten wir nun mit RENACER® noch verbessern und haben den molekularen Aufbau weiterentwickelt. Parallel zur molekularen Struktur haben wir unsere Technologien zum Verspinnen derartiger Fasern ausgebaut. Neben dem bereits etablierten Druckspinnverfahren, aus dem Fasern mit einem Durchmesser von rund 50 µm entstehen, können wir nun durch das Elektrospinnen auch Fasern mit Durchmessern von kleiner als 1 µm verspinnen. Dadurch können die „Maschenweiten“ der daraus herstellbaren Faservliese stark verkleinert werden.
Neue Anwendungsgebiete eröffnen sich. So lässt sich verhindern, dass die Bindegewebszellen hindurchwachsen, ohne dass die Nährstoffversorgung der Zellen gestört wird. Je nachdem, wie der Faserdurchmesser und die Dichte des Vlieses eingestellt werden, kann eine Wachstumsbarriere gegen unerwünschte Verwachsungen und Narbenbildung erzeugt werden; oder aber bei genügend großen Maschen eine regenerative Wundeinlage, die die natürliche Gewebebildung unterstützt.
Wo lag die Herausforderung bei dem Projekt?
Christ: Darin, alle wichtigen Eigenschaften in einem finalen Demonstrator zu integrieren. Das heißt, die RENACER®-Membran durfte keine Toxizität aufweisen, sollte sich vollständig unter physiologischen Bedingungen auflösen und als Membran intrinsisch stabil sein. Diese Feinabstimmungen mussten in iterativen Schritten über die Projektlaufzeit sukzessive angepasst werden.
Wie geht es jetzt mit RENACER® weiter?
Christ: Für die weitere Testung und Zulassung sind noch viele Schritte nötig. Dafür brauchen wir weitere Partner aus der Medizinprodukteherstellung und aus der Klinik. Aber wir haben die ersten Schritte – den Proof-of-Concept und die toxikologischen Tests – in dem Fraunhofer-Eigenforschungsprojekt machen können und wissen, dass wir auf dem richtigen Weg sind.
Auch an weiteren interessanten Anwendungen arbeiten wir. So können wir zusätzlich Wirkstoffe in das Vlies integrieren. Würde es zum Beispiel gelingen, Chemotherapeutika gegen bestimmte Arten von Hirntumoren in die RENACER®-Faser zu integrieren, könnte man so vielleicht das Problem der Blut-Hirn-Schranke umgehen. Die Blut-Hirn-Schranke schützt das Gehirn vor Fremdstoffen. Das ist unbedingt notwendig, im Falle einer medikamentenbasierten Therapie von Hirntumoren aber ein großes Hindernis. Mit wirkstoffbeladenen RENACER®-Membranen, die bei einer Tumoroperation in die verbleibende Wundhöhle appliziert werden, könnten die Wirkstoffe direkt in das angrenzende Gewebe abgegeben werden und bereits abgesiedelte Tumorzellen bekämpfen. Seit November 2022 arbeiten wir dafür mit der Neurochirurgie der Würzburger Universitätsklinik im Projekt GlioGel zusammen.