Bislang war die Herstellung solcher Fasern bei niedrigem Output recht aufwendig und zeitintensiv. Forschende der TU Graz haben nun eine neue Methode zur Herstellung von pharmazeutisch und biomedizinisch einsetzbaren Mikrofasern mit den gewünschten Eigenschaften entwickelt, die bei wesentlich geringerem Produktionsaufwand einen deutlich höheren Ertrag als bei bisherigen Verfahren abwirft.
In einem von der American Physical Society veröffentlichten Paper legen Carole Planchette und ihr Team vom Institut für Strömungslehre und Wärmeübertragung der TU Graz dar, wie sie mit ihrer vom Wissenschaftsfonds FWF und der Austria Wirtschaftsservice Gesellschaft aws geförderten Entwicklung in Sekunden mehrere Meter dieser Mikrofaser herstellen können. Die gängigen Methoden schaffen im gleichen Zeitraum höchstens ein paar Zentimeter. Möglich gemacht hat diese Beschleunigung die Abkehr von der Produktion der Mikrofasern in Flüssigkeitsumgebung mittels mikrofluidischer Chips hin zu einer Herstellung, die in steriler Raumluft möglich ist. Dadurch konnten die notwendigen Prozessschritte sowie die Kosten stark reduziert und potenzielle Fehler- und Verstopfungsquellen minimiert werden.
In der nun vorgestellten Methode verbindet sich ein regelmäßiger Tröpfchenstrom, in dem sich Zellen oder Wirkstoffe befinden, mit einem Flüssigkeitsstrahl aus Alginsäurelösung. Die aus Braunalgen gewonnene Alginsäure bildet in Verbindung mit Calcium Kationen ein elastisches Gel mit dem Namen Alginat – ähnlich dem in der Molekularküche üblichen Verfahren zur Herstellung von Kaviarperlen. Dieses Hydrogel ist einerseits voll biokompatibel und verhindert andererseits, dass die eingelagerten Tröpfchen miteinander verschmelzen. Zur Aushärtung des Stroms aus Alginsäurelösung wird daher kontinuierlich ein zweiter Strahl mit Calcium Kationen darauf geschossen. Die so entstandene Faser, von der bis zu 5 Meter pro Sekunde wachsen, kann danach einfach auf einem Drehteller gesammelt werden. All diese Schritte erfolgen an der Luft und nicht wie bisher in mikrofluider Herstellung.
In ein paar Jahren soll sich mittels der neuen Methode eine der Haut ähnelnde Faser aus menschlichen Zellen herstellen lassen. Dieser Einbau von Zellen in die Mikrofaser ist der nächste Forschungsschritt für Carole Planchette und ihr Team. Das daraus erwartete Ergebnis kann beispielsweise eine große Hilfe für Brandopfer sein, da aus ihren eigenen, unversehrten Hautzellen neue und personalisierte Haut für eine Transplantation in sehr kurzer Zeit produziert werden kann. Bei der Erforschung der Herstellung von künstlicher Haut arbeiten die Forschenden der TU Graz mit der Med Uni Graz zusammen. In der weiter entfernten Zukunft - wohl mehr als zehn Jahre - kann es dann auch möglich sein, künstliche Organe mit dieser Mikrofaser herzustellen.
Neben Tissue Engineering bieten sich aufgrund der neuen und schnelleren Herstellungsmethode noch weitere Anwendungsbereiche für die biokompatible Mikrofaser, beispielsweise Zellscreening. Schon recht zeitnah wird es möglich sein, wesentlich umfangreicher neue Moleküle für medizinische Wirkstoffe an Zellen darauf zu testen, ob oder ab wann sie toxisch sind. Aufgrund der verfügbaren Faserlänge können unterschiedliche Temperaturen oder Konzentrationen in einem Durchgang getestet werden. Für derartige Tests in großen Maßstäben wird bislang auf Tierversuche zurückgegriffen, dies ließe sich damit größtenteils umgehen.
"Für mich ist es besonders interessant, wenn ich grundlegende Aspekte der Strömungslehre dazu nutzen kann, neue und innovative Lösungen für bisher ungelöste Probleme zu finden“, erklärt Carole Planchette. "Dadurch lassen sich Wege zu neuen Anwendungen entdecken und unsere Herstellungsmethode von biokompatiblen Mikrofasern mit regelmäßigen Einschlüssen bei hohem Output und niedrigen Kosten zeigt das. Die Möglichkeiten für Zellscreening, Gewebekonstruktion und irgendwann auch Organherstellung, die sich damit eröffnen, können für viele Disziplinen von großem Nutzen sein. Für mich ist das auch ein klares Zeichen dafür, wie wichtig die Rolle der multidisziplinären Grundlagenforschung ist, um damit das Fundament für bahnbrechende Anwendungen zu schaffen.“
MEDICA.de; Quelle: Technische Universität Graz