Im Interview mit MEDICA.de spricht Sven Delbeck über die Bedeutung von großen Datenmengen für die Diabetologie, welche Rolle die neue Methode auch in anderen medizinischen Fachbereichen spielen könnte und wo es noch Verbesserungsbedarf gibt.
Welche Chancen bieten sich Diabetikern im heutigen Zeitalter, in dem auch die Gesundheitsbranche immer digitaler wird?
Sven Delbeck: Wir können in Echtzeit große Datenmengen auswerten, die speziell für Diabetiker optimierte und personalisierte Therapieformen ermöglichen. Hierbei unterstützen beispielsweise Smartphones (mhealth im Katalog der MEDICA 2018) und Apps (Medizinische Apps und App Stores im Katalog der MEDICA 2018) eine übersichtliche Darstellung und Auswertung von Daten, die bei der Diabetiker-Selbstkontrolle der Blutglucosekonzentrationen anfallen (Geräte und Systeme zur Glukose-Bestimmung im Katalog der MEDICA 2018). Neuerdings werden insbesondere kontinuierlich aufgenommene Glucosewerte, die mit einer neuen Generation von Biosensoren ermöglicht werden und mit denen eine neue Qualität in der intensivierten Insulintherapie eröffnet wird, gesammelt und analysiert. Weiterhin erlauben Apps z.B. eine Abschätzung der Kohlenhydratmengen in Speisen sowie die Berechnung des Insulinbedarfs des Patienten.
Viele dieser Apps für kontinuierlich messende Glucosemessgeräte verfügen über Warnsysteme, die mittels Tonsignalen oder Trendpfeilen vor drohenden Unter- oder Überzuckerungen warnen. Über die Freigabefunktion dieser Datensätze können Ärzte oder autorisierte Personen Ferndiagnosen stellen und Hilfestellung leisten, was unter anderem auch für Eltern von Kindern mit Diabetes oder für das Pflegepersonal von Diabetes-Patienten von großem Interesse ist.
Bisher wurde Unter- bzw. Überzuckerung anhand von invasiven Methoden festgestellt. Sie sind dabei ein neues Verfahren zu entwickeln. Was ist neu?
Delbeck: Der Ansatz ist nicht ganz neu. Prof. Herbert Michael Heise, der meine Promotion betreut, hat seit Jahren sehr erfolgreich auf diesem Gebiet am ISAS-Forschungsinstitut in Dortmund (jetzt Leibniz-Institut für Analytische Wissenschaften – ISAS e.V.), aber auch schon früher zusammen mit Mitarbeitern der Fachhochschule Südwestfalen in Iserlohn geforscht.
Die grundsätzliche Neuheit an der jetzigen Entwicklung ist der Einsatz eines nicht-invasiven, kontinuierlich messenden Systems auf Basis einer optischen Messtechnik zur Überwachung des Blutzuckers. Im Unterschied zu bereits erforschten oder sogar entwickelten minimal- oder nicht-invasiven optischen Methoden, die zumeist eine Mischung der integralen glucosespezifischen Messsignale aus Interstitium, Intrazellularraum und Blut abbilden, wird bei unserem Ansatz gezielt der im Blut vorhandene Glucosespiegel, der in der Medizin als Goldstandard angesehen wird, bestimmt. Der große Nachteil bei den gewebeintegralen Messmethoden besteht in den individuell unterschiedlichen Verzögerungszeiten des Glucoseaustauschs zwischen Blut und Gewebe, sodass kein bisher vorgestelltes, nicht-invasives optisches System präzise den Ist-Zustand des Patienten hinsichtlich der arteriellen Blutglucosekonzentration bestimmen kann.