Viele Corona-Infizierte wissen nichts von ihrer Infektion. Sie haben keine Symptome, oder ahnen nicht, dass die Ursache etwa ihrer Magen-Beschwerden eigentlich hier liegt. Daher besuchen sie nichts ahnend die Großeltern im Altenheim, Freunde im Krankenhaus, die Arbeit, Schule, die Disko oder ein Konzert – und bringen so ungewollt andere in Gefahr. Corona schneller, einfacher, kostengünstiger und zuverlässiger als mit den üblichen Schnelltests erkennen zu können, wäre ein entscheidender Vorteil, um Infektionsketten früh zu stoppen und Pandemien zu bekämpfen, bevor sie entstehen. Auch vor dem Hintergrund, dass in Zukunft mitunter gar noch aggressivere Mutationen oder neue Erreger auftreten könnten, wäre dies ein potenzieller Game-Changer.
Hieran forscht die Arbeitsgruppe von Professor Michael Zemlin an der Klinik für Allgemeine Pädiatrie und Neonatologie der Universität des Saarlandes. Dr. Sybelle Goedicke-Fritz aus Zemlins Team arbeitet an einem Verfahren, das Corona-Infektionen in einer Minute am Geruch erkennen soll – ohne die Getesteten zu berühren, was gerade auch bei Kindern von Vorteil ist. Sie will einer elektronischen Nase – einem Gerät ähnlich einem Walkie-Talkie, das mit sensiblen Geruchs-Sensoren ausgestattet ist – beibringen, Corona zu identifizieren und dann zu warnen. Ihr Projekt "Wir riechen Covid-19 – Erkennung von Corona-Viren durch Geruchsdetektion" ist eines von vier Gewinner-Forschungsprojekten bei der Ausschreibung "Ideen gegen Pandemien" der Else Kröner-Fresenius-Stiftung. Mit Ihrem Vollantrag hat sie die Jury sowie Fachgutachterinnen und -gutachter überzeugt. Die Else Kröner-Fresenius-Stiftung fördert ihr Vorhaben mit 220.000 Euro über eine Laufzeit von 24 Monaten. Die Stiftung investiert bereits in ein weiteres Projekt von Sybelle Goedicke-Fritz, bei dem sie den Geruch von Krankenhauskeimen erforscht.
Sybelle Goedicke-Fritz ist mit ihrer Forschung den Geruchsmustern von Infektionskrankheiten auf der Spur. Die Grundidee ist nicht neu. "Die Erfahrung, dass kranke Menschen anders riechen, hat wohl jeder schon gemacht. Und auch in der Medizin wird der Geruch schon seit langem in die Diagnostik mit einbezogen. Schon im antiken Griechenland nutzte Hippokrates den Geruchssinn, um Krankheiten zu erkennen", erläutert die Forscherin. "Bei jeder Infektion entsteht eine charakteristische Entzündungsreaktion, die dazu führt, dass Geruchsstoffe gebildet werden. Es handelt sich dabei um flüchtige organische Substanzen, die zum Beispiel ausgeatmet werden oder mit dem Schweiß austreten", erklärt sie.
Infektionen mit verschiedenen Erregern und Viren unterscheiden sich ganz individuell, sie hinterlassen im übertragenen Sinne einen persönlichen Fingerabdruck. An den individuellen "Geruchs-Abdrücken", sogenannten "Smellprints", die Corona bei Patienten hervorruft, forscht Goedicke-Fritz: Sie vergleicht hierfür die Smellprints aus Ausatemluft, Speichel, Auswurf und Schweiß von Kindern mit den Ergebnissen von PCR- und Antigentests. Mit ihren "Fahndungsergebnissen" will sie die elektronische Nase trainieren, damit diese innerhalb einer Minute die Smellprints von Corona ermitteln kann. "Unser Ziel ist es, auf diese Weise eine neue Screeningmethode zu entwickeln, die zum Beispiel als schnelle Eingangstests für Orte mit hohen Besucherzahlen oder öffentlichen Einrichtungen zum Einsatz kommen kann", sagt die Forscherin.
Vorarbeiten hierzu in mehreren Forschungsprojekten liefen vielversprechend. "Wir konnten bereits zeigen, dass Smellprints von Geruchsstoffen mit Hilfe der elektronischen Nase erhoben werden können und diese sich sehr gut für die nicht-invasive Diagnostik etwa bei Frühgeborenen eignet", erläutert Goedicke-Fritz.
MEDICA.de; Quelle: Universität des Saarlandes