Was unterscheidet das neue Mix-und-Match-System von anderen Organ-on-a-Chip-Systemen?
Loskill: Im Bereich Organ-on-a-Chip gibt es bereits vielfältige Systeme. Für das spezifische Forschungsfeld des Fettgewebes gibt es allerdings bisher fast keine Modelle. Wir haben in den letzten Jahren schon einzelne Systeme vorgestellt, dieses neue System bildet die Weiterentwicklung davon. Damit können wir nun alle zellulären Komponenten des Fettgewebes nachbilden. Wir integrieren nicht nur die Fettzellen, die Adipozyten, sondern auch Stromazellen und stammzellähnliche Progenitorzellen. Die Immunzellen sind ein weiterer wichtigen Aspekt für die Fettgewebebiologie. Mit dem Mix-und-Match-System können wir auswählen, welche Zelltypen wir auf den Chip bringen und damit auch den Beitrag der einzelnen Zellarten zur Funktionalität des gesamten Gewebes untersuchen. So kann getestet werden, ob das Gewebe immer noch funktioniert, wenn wir verschiedene Zellen weglassen, oder was sich verändert, wenn bestimmte Zellen in einen Krankheitszustand gebracht werden.
Wie können verschiedene Aspekte der Adipositas-Erkrankung mit dem Chip simuliert werden?
Loskill: Eine Erkrankung mit Adipositas ist eine chronische Entzündung des Fettgewebes. Wir können durch die Integration der Immunzellen und der unterschiedlichen Zusammensetzung von Immunzellen diesen Entzündungszustand auf einem Chip nachbilden. Mit direkt von adipösen Patientinnen und Patienten entnommenem Gewebe kann auch direkt ein patientenspezifisches Krankheitssystem aufgebaut werden. Durch Simulationen mit dem Fettgewebe-Chip können wir den Adipositasphänotyp, dass durch Erbanlagen und Umwelteinflüsse geprägte Erscheinungsbild eines Organismus, erforschen.
Welche Rolle könnten die Chipsysteme in der medizinischen Forschung der Zukunft spielen?
Loskill: Organ-on-a-Chip-Systeme bieten die Möglichkeit, komplexere menschliche Biologie außerhalb des menschlichen Körpers nachzubilden. Klassischerweise müssten Tiermodelle verwenden werden, die ethisch problematisch sind und sich häufig sehr vom Menschen unterscheiden. Mit Organ-on-a-Chip-Systemen entsteht die Möglichkeit, experimentelle Studien an humanen Modellen durchzuführen, die nicht mit ethischen Problemen einhergehen.
Wichtig ist jedoch, dass es immer noch Entwicklungen sind, keine abgeschlossenen Forschungen. Es ist nicht so, dass aufgrund dieser Systeme morgen keine Tierversuche mehr notwendig sind. Es ist ein Prozess, der immer noch einiges an Entwicklungen benötigt, um diesen Punkt zu erreichen. Aber wir sind sehr optimistisch, dass wir in der Zukunft mit den Chips Tierversuche reduzieren können.