Die pharmazeutische Industrie erforscht heute kaum noch neue Antibiotika, da ihre Entwicklung langwierig und teuer ist und Resistenzen sehr schnell entstehen können. Medizintechnische Maßnahmen können und müssen deshalb mehr dazu beitragen, die Effektivität der vorhandenen Antibiotika zu erhalten, die Entwicklung von Resistenzen zu verhindern und resistente Keime zu bekämpfen. Besteht bereits eine Infektion, stehen hier Laborverfahren an vorderster Front, mit denen das Bakterium und seine Resistenzen identifiziert werden. Diese Verfahren werden als phänotypische Resistenztestung bezeichnet: Wenn ein Bakterium sich in Gegenwart eines bestimmten Antibiotikums in einer Kultur vermehren kann, zeigt dies eine bestehende Resistenz an und ein anderer Wirkstoff muss gefunden werden.
"Der Nachteil dabei ist, dass dieser Test relativ viel Zeit benötigt. Das können zwischen 16 und 48 Stunden sein", erklärt Prof. Axel Hamprecht im Interview mit MEDICA.de. Hier kommen Diagnostika ins Spiel, die mit wenig Aufwand und in kurzer Zeit Antworten bringen. Hamprecht und seine Forschungsgruppe am Universitätsklinikum Köln haben ein Verfahren entwickelt, mit dem Carbapenemasen nachgewiesen werden können. Dabei handelt es sich um Enzyme, die Bakterien vor Carbapenemen, wichtigen Reserveantibiotika, schützen. "Das ist wesentlich schneller als die phänotypische Resistenztestung. Jetzt können wir ungefähr innerhalb einer halben Stunde feststellen, ob eine Carbapenemase vorliegt", so Hamprecht.
Die Kölner Forscher haben diesen Schnelltest nicht selbst entwickelt, sondern ein schnelles Testverfahren rund um einen kommerziell verfügbaren, immunochromatographischen Test herum aufgebaut. Tests wie dieser werden immer wichtiger, denn zusammen mit Menschen reisen auch Resistenzmechanismen um die Welt. Carbapenemasen zum Beispiel werden immer häufiger in West- und Mitteleuropa festgestellt.
Ein gerätebasiertes Testverfahren, das die Raman-Spektroskopie verwendet, entwickelt der InfectoGnostics Forschungscampus in Jena. Der Campus ist eine öffentlich-private Partnerschaft. Hier arbeiten Forscher aus Klinik, Universität und Industrie eng zusammen. Für sie stehen während der ersten fünfjährigen Förderphase Testverfahren im Mittelpunkt, um Erreger einer Lungenentzündung unter Immunsuppression zu diagnostizieren. "Dabei bestrahlen wir die Bakterien mit Laserlicht – einmal ohne Antibiotikagabe und einmal mit Antibiotikagabe in unterschiedlichen Konzentrationen – und analysieren das zurückgestreute Licht", wie Prof. Jürgen Popp, Vorstandsmitglied und Sprecher des Campus', im Interview mit MEDICA.de erklärt. Im Spektrum des zurückgestreuten Lichts soll ein Algorithmus charakteristische Muster erkennen, die auf in den Bakterien vorhandene Moleküle und damit mögliche Resistenzmechanismen hinweisen.
Prof. Mathias Pletz, Universitätsklinikum Jena, ergänzt dazu: "Wir als Kliniker brauchen hier dringend Fortschritte in der Diagnostik. Wenn wir ohne genaue Diagnostik am Erreger vorbeibehandeln, kann das schlimmstenfalls den Tod eines Patienten bedeuten." Die öffentlich-private Partnerschaft bringt in diesem Prozess einen entscheidenden Vorteil: Ärzte haben früher mit den Entwicklern in den Unternehmen Kontakt. Damit werden ihre Bedürfnisse zeitnah in der Produktentwicklung beachtet und sie erhalten ein Testgerät, das sie vom Aufwand und von den Kosten her gut in die klinische Routine integrieren können.