Wo sehen Sie letztendlich die Vorteile eines Organ-on-a-chip-Systems?
Korff: Ein Vorteil ist es, humane Zellen zu nutzen. Viele Erkenntnisse lassen sich nicht eins zu eins vom Tiermodell auf den Menschen übertragen, weil humane Zellen einfach anders reagieren, teilweise toleranter oder weniger tolerant gegenüber Medikamenten sind. Wie viel besser die Übertragbarkeit der Organ-Chip-Ergebnisse aber wirklich ist, muss erst noch gezeigt werden. Dafür benötigen wir zunächst eine grundlegende Standardisierung von Testsystemen, die, je nach Land, je nach Labor, noch extrem heterogen designt sind.
Weiterhin kann man an den Chips verschiedene spezifische und standardisierte Testverfahren anwenden, die sich relativ rasch auf eine individuelle zelluläre Analytik runterbrechen lassen. Das heißt, man kann zum Beispiel ein sehr spezifisches Profil von den Reaktionen eines bestimmten Zelltyps erstellen, wenn das System entsprechend aufgebaut ist. Im Organismus ist das sehr schwierig, weil hier immer sehr viele Zellen beteiligt sind und gleichzeitig reagieren. Aber: Je komplexer die Systeme werden, desto schwieriger werden auch die Analysen.
Welche Rolle könnten sie in der medizinischen Forschung der Zukunft spielen?
Korff: Wenn sie wirklich ausgereifter werden, könnte ich mir vorstellen, dass damit Vorhersagemodelle für Nebenwirkungen von Pharmaka auf zellulärer Ebene erstellt werden können, die auf Basis eines Tiermodells nicht möglich wären. So könnte man relativ schnell herausfinden, welche Wirkstoffkandidaten für eine klinische Testung weiterverfolgt werden können.
Welche Probleme müssten noch gelöst werden, damit die Chip-Systeme häufiger eingesetzt werden können?
Korff: Hier ist ganz klar die Standardisierung gefragt, um Ergebnisse auch vergleichen zu können. Das fängt schon bei den verwendeten Zellen an: Einige Forschungsgruppen verwenden primär kultivierte Zellen, andere Zelllinien und wieder andere versuchen, Stammzellen in bestimmte organtypische Zellen zu differenzieren. Es geht auch um Fragen wie Zusammensetzung der Nährmedien, die Lebensdauer der Zellen auf den Chips oder welche Materialien zum Beispiel beim Bioprinting verwendet werden. Das alles sind Variablen, die die Ergebnisse beeinflussen können. Noch ist es also ein weiter Weg für die Organ-Chips, um die Komplexität eines lebenden Organismus reproduzierbar abzubilden.