Welche Vorteile bietet die Zusammenarbeit den Partnern?
Prof. Mathias Pletz: Unternehmen fehlt oft geeignetes Probenmaterial von Patienten, an dem sie forschen können und die klinische Expertise. Hier profitieren sie davon, dass wir für den Forschungscampus eine zentrale Patientenkohorte und eine Biobank aufgebaut haben.
Popp: In der akademischen Forschung haben wir oft Zugang zu sehr hochentwickelten Technologien, mit denen wir im Labor sehr gute technische Lösungen aufbauen können. Dann stoßen wir aber auf das Problem, dass wir diese Technologien nicht ohne Weiteres in ein Produkt umsetzen können. Mitunter müssen wir dann alles noch einmal neu denken und aufbauen – mit einfacheren Mitteln, die eine Serienproduktion ermöglichen. Wenn wir als akademische Forscher aber von vornherein enger mit der Industrie zusammenarbeiten, erkennen wir auch eher, was für die Produktentwicklung und Translation wichtig ist.
Pletz: Gleichermaßen erhalten die Unternehmen die Möglichkeit, mit Ärzten als Benutzer der neuen Technologien früher und enger zusammenzuarbeiten und mehr über deren Anforderungen zu erfahren. Es kann sonst passieren, dass ein Produkt am klinischen Bedarf vorbeientwickelt wird oder einfach zu teuer oder kompliziert für den klinischen Einsatz ist.
Welches Medizinprodukt entwickeln Sie?
Pletz: Als thematische Klammer für die erste fünfjährige Förderphase haben wir die Lungenentzündung bei Immunschwäche gewählt. Wir suchen nach Möglichkeiten, entsprechende Erreger nicht-invasiv, über Urin- oder Blutentnahme, zu bestimmen. Bislang muss in Kliniken oftmals noch eine maximal-invasive Diagnostik durchgeführt werden: Bei einer Lungenspiegelung wird zum Beispiel Spülflüssigkeit aus der Lunge gewonnen, um daraus die Erreger zu bestimmen – eine sehr belastende Prozedur für Patienten, die sowieso schon unter Luftnot leiden. Wir entwickeln deshalb Tests, die ohne einen solchen Eingriff auskommen und eine schnelle, aber exakte Diagnose ermöglichen.
Wir als Kliniker brauchen hier dringend Fortschritte in der Diagnostik: Eher seltene Krankheitserreger können eine Schwäche des Immunsystems – beispielsweise bei älteren Menschen oder Krebspatienten – ausnutzen und schwere Lungenentzündungen verursachen. Wenn wir ohne genaue Diagnostik am Erreger vorbeibehandeln, kann das schlimmstenfalls den Tod eines Patienten bedeuten. Antibiotikaresistenzen spielen dabei eine große Rolle, weil die Erkrankten im Laufe ihrer Behandlungen meist schon viele Antibiotika erhalten haben. Einige häufig vorkommende, resistente Keime wie MRSA können wir zwar schon relativ gut identifizieren, bestimmte Darmbakterien, die zum Teil unterschiedliche Resistenzmechanismen haben, stellen uns jedoch vor größere Probleme.
Popp: Ein Ansatz, den wir deshalb im Campus zum Produkt entwickeln, ist der phänotypische Nachweis der Bakterien und deren Antibiotikaresistenzen in einem Zeitfenster von ungefähr drei Stunden. Dieser Nachweis basiert auf der Raman-Spektroskopie. Dabei bestrahlen wir die Bakterien mit Laserlicht – einmal ohne Antibiotikagabe und einmal mit Antibiotikagabe in unterschiedlichen Konzentrationen – und analysieren das zurückgestreute Licht. So erhalten wir eine Art "molekularen Fingerabdruck" – charakteristische Unterschiede im Spektrum, die mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz ausgewertet werden und zeigen, ob ein Antibiotikum erfolgreich auf die Bakterien einwirkt.