Unter der Leitung von Dr. Ian Hatton vom Max-Planck-Institut für Mathematik in den Naturwissenschaften stellten die Forschenden einen umfangreichen Datensatz mit über 1200 verschiedenen Zellgruppen zusammen. Sie schätzten die Größenverteilung, die Masse und die Anzahl der Zellen für jede Gruppe über 60 Gewebesysteme bei drei menschlichen Referenzpersonen - einem erwachsenen Mann, einer Frau und einem Kind - ab. "Zum ersten Mal haben wir systematisch die Größe und Häufigkeit von Zellen in allen wichtigen Geweben und Organen gemessen, von winzigen roten Blutkörperchen bis hin zu großen Muskelfasern", erläutert der leitende Forscher Dr. Ian Hatton vom Max-Planck-Institut.
Während sich viele aktuelle Studien auf molekulare Analysen stützen, verfolgt diese Studie einen klassischen zellbiologischen Ansatz, bei dem die morphologischen Eigenschaften bekannter Zelltypen quantifiziert werden. Um einen ganzheitlichen quantitativen Rahmen zu schaffen, integrierten die Forschenden sowohl histologische und als auch anatomische Forschungsergebnisse der letzten Jahrzehnte. Das Team entdeckte dabei ein auffälliges, nahezu inverses Verhältnis zwischen Zellgröße und -häufigkeit, was auf einen Zielkonflikt zwischen den beiden Variablen hindeutet. Mit zunehmender Größe der Zellen nimmt ihre Anzahl proportional ab, so dass Zellen aller Größen gleichermaßen zur Biomasse des Körpers beitragen. All dies deutet darauf hin, dass es keine universell optimale Zellgröße gibt, sondern dass Stoffwechselanforderungen und Funktionsnischen dafür sorgen, dass die Zellen effizient über das gesamte Größenspektrum "verteilt" sind.
Zudem deckten die Forschenden auf, dass die Schwankungen der Zellgröße bei allen Zelltypen weitgehend konstant ist, was auf universelle Mechanismen zur Regulierung ihrer Größe hindeutet. "Der Körper weist Muster auf, die an die Naturgesetze vieler komplexer Systeme erinnern, von Ozeanen bis zu Asteroiden", so Dr. Hatton. "Ein besseres Verständnis dieser mathematischen Regeln könnte Schlüsselprinzipien von Zellwachstumsprozessen aufdecken, die für Entwicklungsvorgänge, Krebs, Regeneration und Alterung relevant sind." Der umfassende Zellindex bietet Biologen eine unschätzbare Quelle, um molekulare Studien zu kontextualisieren und zu einem besseren Verständnis medizinischer Prozesse beizutragen. Die umfassende Anwendung der Daten könnte sich positiv auf die Entwicklung von Medikamenten, die medizinische Diagnostik und die Modellierung von Krankheitsverläufen auswirken.
"Unsere ganzheitlich angelegte Kartierung dient als Grundlage für die Erstellung eines menschlichen Zellatlas mit molekularer Auflösung", resümiert Dr. Hatton. "Mit ihren potenziellen Anwendungen im Gesundheitswesen unterstreichen diese Ergebnisse, wie wichtig es ist, Zellen in ihrem physiologischen Kontext als Teil eines komplexen, aber geordneten Systems zu betrachten." Um diesen Ansatz weiter zu fördern, hat das Team seine umfangreichen Daten über ein interaktives Online-Tool zugänglich gemacht. Dies ermöglicht die hierarchische Erkundung von Zellparametern in verschiedenen Geweben und Zelltypen und stellt zudem Methoden und Quellen für jeden Zelltyp zur Verfügung.
MEDICA.de; Quelle: Max-Planck-Institut für Mathematik in den Naturwissenschaften (MPIMIS)