"Wir haben die Verbindungen zwischen einzelnen Bakterienspezies in der Lunge und Markern im Wirtsgenom untersucht, um Gene zu identifizieren, die die Lungenbakterien beeinflussen und möglicherweise eine Rolle bei der Krankheitsanfälligkeit spielen“, erklärt Baines, der die Arbeitsgruppe Evolutionäre Medizin an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) und dem Plöner Max-Planck-Institut für Evolutionsbiologie leitet. Insgesamt wurden sieben Genregionen für acht bakterielle Merkmale gefunden. "Wir konnten mehrere vielversprechende Gene identifizieren, die mit Immun- und Entzündungsreaktionen, Lungenfunktion und Krankheitsanfälligkeit zusammenhängen“, so Baines. Die kürzlich in der Fachzeitschrift Animal Microbiome veröffentlichte Arbeit wurde auch durch den Exzellenzcluster "Precision Medicine in Chronic Inflammation“ (PMI) und den Sonderforschungsbereich "Entstehen und Funktionieren von Metaorganismen“ (SFB 1182) gefördert.
In der Untersuchung kamen modernste molekularbiologische Analysemethoden zum Einsatz, die auch bei Vorliegen einer geringen Biomasse vorhandene Bakterienspezies in der Lunge der untersuchten Mäuse mengenmäßig erfassten. "Unsere Studie liefert den ersten Beweis für eine Rolle der genetischen Variation des Wirts, die zu Veränderungen in der Zusammensetzung des Lungenmikrobioms beiträgt“, erklärt Ko-Autorin Dr. Meriem Belheouane vom Forschungszentrum Borstel, Leibniz Lungenzentrum (FZB). So habe sich gezeigt, dass die Menge an Lactobacillen in der Lunge stark mit einer bestimmen Genregion assoziiert ist, die das Gen für den entzündungshemmenden Botenstoff Interleukin 10 enthalte. Dieser Befund wurde in Tieren bestätigt, bei denen das Gen für Interleukin 10 (IL-10) ausgeschaltet war. Belheouane: "IL-10-Knockout-Mäuse hatten weniger Lactobacillen als die Tiere ohne Knockout.“ Auch für die Anzahl von Pelomonas, eine andere häufige Bakterienart in der Lunge, wurden genetischen Varianten des Wirts gefunden. Die funktionelle Bedeutung dieser Bakterienarten könne möglicherweise für künftige präventive oder therapeutische Zwecke genutzt werden.
Trotz großer Fortschritte in Diagnostik und Behandlung sind Lungenerkrankungen weltweit auf dem Vormarsch und gehören zu den häufigsten Todesursachen. Ziel des Leibniz-WissenschaftsCampus "Evolutionary Medicine of the Lung (EvoLUNG)" ist es, die Entstehung und Entwicklung chronischer Lungenerkrankungen wie Tuberkulose oder Asthma besser zu verstehen. Dazu untersuchen die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen in interdisziplinären Teams zum einen die Ausbreitung und Herkunft multiresistenter Erreger in der Lunge. Sie erforschen andererseits die Evolution von Genvarianten des Menschen, die Lungenerkrankungen begünstigen, sowie das komplexe Zusammenspiel von Krankheitsgenen, Mikroorganismen, Krankheitserregern und Umweltfaktoren bei der Entstehung von Erkrankungen der Lunge. Langfristig sollen in EvoLUNG bessere Diagnostika entwickelt und Therapien für Erkrankungen wie Asthma, Tuberkulose, zystische Fibrose oder chronische Bronchitis verbessert werden. Ein besonderer Fokus liegt auf der Vermeidung der Resistenzentwicklungen im Verlauf der Tuberkulose oder der zystischen Fibrose sowie auf einem besseren Verständnis der Rolle der körpereigenen Mikrobiota bei der Entstehung von Asthma. EvoLUNG wird von Professor Stefan Niemann vom Forschungszentrum Borstel (FZB) geleitet und umfasst neben dem FZB auch die Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) und das Max-Planck-Institut für Evolutionsbiologie in Plön (MPI-EB).
MEDICA.de; Quelle: Christian-Albrechts-Universität zu Kiel