Organoide werden im Labor aus Stammzellen hergestellt. Zellanhäufungen organisieren sich räumlich zu organähnlichen Strukturen – weshalb sie auch Miniorgane genannt werden. Mithilfe von Organoiden können Forschende das Zusammenspiel von Zellen im dreidimensionalen Raum untersuchen.
Das Ziel der Argelander-Professuren für Nachwuchsforschende (benannt nach dem Bonner Astronomen Friedrich Wilhelm August Argelander, 1799-1875) ist es, das Forschungsprofil der sechs Transdisziplinären Forschungsbereiche (Transdisciplinary research areas, TRA) der Universität Bonn auszubauen. Hier bearbeiten Forschende über die Grenzen von Fächern und Fakultäten hinweg gemeinsam gesellschaftsrelevante Fragestellungen.
"Organoid-Forschung ist eine sehr zukunftweisende Richtung in der modernen biomedizinischen Forschung“, betont Prof. Dr. Waldemar Kolanus, Sprecher der TRA "Leben und Gesundheit“ und Geschäftsführender Direktor des Life & Medical Sciences-Institut (LIMES) der Universität Bonn, wo die beiden neuen Professuren angesiedelt sind. Bei der Organoid-Forschung gehe es einerseits darum, eine Brücke zwischen den bisherigen Zellkulturmodellen und noch komplexeren Tiermodellen zu schaffen. Andererseits folge der Ansatz aber einer ganz neuen Philosophie: "Es geht darum, lebende 'organ-artige' Systeme von Grund auf, also buchstäblich aus einzelnen (Stamm-)Zellen aufzubauen. Man wird also die Organentwicklung besser verstehen, indem man Organe selber konstruiert und nicht wie bisher, indem man sie 'auseinandernimmt‘“.
Organoid-Ansätze werden bereits in vielen Arbeitsgruppen an der Universität und am Universitätsklinikum Bonn verwendet. Kolanus: "Allerdings ist uns nun mit der Rekrutierung der beiden Argelander-Juniorprofessorinnen die Schaffung eines neuen, sichtbaren Forschungsschwerpunkts in dieser Richtung gelungen. Die TRA ,Life & Health‘ ist sehr glücklich darüber, dass wir zwei Wissenschaftlerinnen gewinnen konnten, die ihre sehr innovativen und vor allen Dingen komplementären Forschungsansätze zu uns nach Bonn bringen.“
Jun.-Prof. Dr. Elena Reckzeh forscht an der Schnittstelle von Chemie und Biologie. Ihr Ziel ist es, neuartige chemische Hilfsmittel als potenzielle Arzneimittelkandidaten zu entdecken. Diese möchte sie dazu nutzen, biologische Phänomene zu manipulieren und dadurch besser zu verstehen.
Bereits während ihrer Promotion entwickelte sie einen Glukose-Aufnahmehemmer, um Krebs von seinem Lieblingsnährstoff Glukose auszuhungern. "Dabei wurde mir klar, dass das biologische System, das wir zur Entdeckung neuer chemischer Verbindungen nutzen, einen großen Einfluss auf unsere Ergebnisse haben kann“, sagt sie. "Biologische Systeme, die ein Organ oder eine Krankheit besser modellieren, ermöglichen es uns, neue und womöglich bessere therapeutische Strategien zu entwickeln.“ In ihren Forschungsarbeiten der letzten Jahre beschäftigte sich Reckzeh vermehrt mit Organoiden. Sie verwendete Minidärme, um den Nährstoff- und Arzneimittelstoffwechsel im Dünndarm zu untersuchen. Darüber hinaus setzte sie Tumor-Organoide ein, um neue Strategien gegen Plattenepithelkarzinome der Haut im Kopf- und Halsbereich zu finden.
Als neue Argelander-Professorin für Organoidbiologie wird Elena Reckzeh jetzt an der Schnittstelle von chemischer Biologie und Organoidbiologie arbeiten. Hauptsächlich wollen sie und ihr Team organoide Modelle verwenden, um die Nährstoffaufnahme im Dünndarm und Stoffwechselmechanismen in Zusammenhang mit Darmkrebs zu untersuchen. "Wir werden diese Modelle in chemischen Screens einsetzen, um neue Hilfsmittel zur Untersuchung von Stoffwechselkrankheiten und des Krebsstoffwechsels zu entdecken“, erklärt sie. Die Einbeziehung zusätzlicher Komponenten – dazu zählen das Immunsystem, Mikrobiota und Multiorgansysteme – soll es ermöglichen, die Auswirkungen von Umweltveränderungen auf die Krankheitsmodelle zu untersuchen.
MEDICA.de; Quelle: Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn