Die moderne Medizin setzt in der präklinischen Wirkstoffentwicklung zunehmend auf dreidimensionale menschliche Gewebemodelle. Diese stellen eine ethisch unproblematische und oft wissenschaftlich aussagekräftigere Alternative zum Tierversuch dar. Eine wichtige Voraussetzung für den sicheren Einsatz bei Risiko- und Wirksamkeitstests von Medikamenten ist jedoch, dass diese Modellsysteme dem menschlichen Gewebe morphologisch und in Bezug auf die jeweilige Funktionalität möglichst nahekommen.
Genau hier setzt das Projekt SAPs4Tissue an: mit Hilfe geordneter molekularer Eiweißbausteine, den sogenannten Peptidnanofibrillen (SAPs), werden in Kombination mit biologischen Polymeren physiologische Umgebungsbedingungen der Zelle simuliert. Die menschlichen Zellen sehen sozusagen ihr "natürliches Umfeld", die sogenannte extrazelluläre Matrix, eine weiche Biopolymermatrix, die sie umgibt. Zusätzlich werden die molekularen Bausteine mit chemischen Gruppen versehen, die es erlauben, die Materialeigenschaften mit Hilfe externer Signale, wie zum Beispiel Licht oder dem pH-Wert, gezielt zu beeinflussen. Auf dieser resultierenden Gerüststruktur sollen im Rahmen der Studien menschliche Stammzellen zu spezialisierten Zellen umgewandelt und als funktionale Gewebe wie z. B. dem Darm gezüchtet werden, so die Hoffnung der Forschenden. Dies ist durch Methoden des sogenannten "Tissue Engineerings" möglich, ein interdisziplinäres Arbeitsgebiet, das Prinzipien aus dem Ingenieurwesen und der Biowissenschaft zur gezielten Gewebezüchtung anwendet. Im Rahmen des Projekts werden außerdem auch die Zusammenhänge zwischen molekularer Signatur, dreidimensionaler Struktur und gewebespezifischer Funktion systematisch untersucht.
Die Projektleiter, Dr. Christopher Synatschke, Dr. Tanja Weil (MPI-Polymerforschung), Dr. Marco Metzger und Dr. Daniela Zdzieblo (Fraunhofer ISC) sind zuversichtlich: "Die Zusammenführung der Kernkompetenzen Biomaterialien, Stammzellbiologie und Tissue Engineering wird eine völlig neue Klasse an Gerüststrukturen hervorbringen, die den standardisierten Aufbau unterschiedlicher menschlicher Gewebe erlaubt." Ein Erfolg der Arbeit würde nicht nur die Grundlagenforschung im Bereich der Gewebe- und Krankheitsentstehung weiter beflügeln, sondern hätte auch eine erhebliche sozio-ökonomische Relevanz durch den Ersatz von Tierversuchen und durch effektivere präklinische Prüfverfahren, die sich unmittelbar positiv bei den Kosten für das Gesundheitssystem bemerkbar machen.
MEDICA.de; Quelle: Fraunhofer-Institut für Silicatforschung ISC