Betrieben wird die Plattform unter der Leitung von MBExC-Mitglied Prof. Niels Voigt vom Institut für Pharmakologie und Toxikologie der Universitätsmedizin Göttingen (UMG) und MBExC-Optogenetik-Spezialist Dr. Thomas Mager vom Institut für Auditorische Neurowissenschaften der UMG.
Herzstück der Anlage ist der aus MBExC-Finanzmitteln beschaffte Patch-Clamp-Roboter SyncroPatch384 der Firma Nanion. Das SyncroPatch-System basiert auf der Patch-Clamp-Technik, die in den 1970er Jahren von den Nobelpreisträgern Prof. Erwin Neher und Prof. Bert Sakmann in Göttingen entwickelt wurde. Im Gegensatz zur traditionellen Technik, bei der Zellen einzeln und sehr mühsam "per Hand" untersucht werden, sind mit dem neuen System automatisierte Hochdurchsatzmessungen der elektrischen Aktivität hunderter Zellen in einem Durchgang möglich. "Mit anderen Worten: Ein Experiment, das bisher mehr als ein Jahr intensiver Arbeit erforderte, kann nun automatisch innerhalb weniger Stunden durchgeführt werden", sagt Voigt, Leiter der neuen Technologieplattform.
"Wir werden das System nutzen, um Herz- und Nervenzellen zu untersuchen, die aus Biopsien oder Stammzellen gewonnen wurden. Wir können so quasi EKGs (Elektrokardiogramme) und EEGs (Elektroenzephalogramme) einzelner Zellen aufzeichnen. Ziel ist es, eine gestörte elektrische Aktivität der Zellen aufzudecken, die schweren Erkrankungen des Herzens und des Gehirns zugrunde liegt." Langfristig sollen am MBExC Erkenntnisse gewonnen werden, auf deren Basis Therapieansätze für Erkrankungen des Herzens, wie etwa Herzrhythmusstörungen oder der Herzinsuffizienz, und für Erkrankungen des Gehirns, wie etwa Parkinson, Alzheimer oder Schlaganfall, entwickelt werden können.
Besonders innovativ: Das Göttinger SyncroPatch-System stellt einen weltweit einzigartigen Prototyp dar, der zusätzlich zur elektrophysiologischen Messung eine sogenannte "optogenetische Stimulation" ermöglicht. Elektrische Eigenschaften von Zellen werden dabei durch Applikation kurzer Lichtimpulse verändert. Voraussetzung für dieses Verfahren ist das Vorhandensein lichtempfindlicher Bausteine in den Zellen. Sie werden mittels genetischer Verfahren in die Zellen eingebracht, um dann gezielt die elektrischen Eigenschaften zu modulieren. Die Kombination von Hochdurchsatz-Elektrophysiologie und die Stimulation zellulärer Aktivität durch Licht ermöglicht die Entwicklung neuer Werkzeuge für die Optogenetik. Hierfür ist ein groß angelegtes Screening geplant. Mutanten bekannter Lichtsensoren sollen untersucht und natürliche Varianten bekannter Lichtsensoren aufgespürt werden, die bisher in Mikroorganismen der Tiefsee verborgen waren. "Die Entdeckung neuer Lichtsensoren ist von entscheidender Bedeutung für die Erforschung erregbarer Zellen, wie Neuronen oder Kardiomyozyten", sagt Mager. "Sie bergen ein enormes Potenzial für zukünftige Behandlungen, wie die optogenetische Wiederherstellung des Hörvermögens, mit der wir uns am MBExC und am Institut für Auditorische Neurowissenschaften beschäftigen".
MEDICA.de; Quelle: Universitätsmedizin Göttingen - Georg-August-Universität