Not macht erfinderisch – Innovationen in der Corona-Pandemie

Abstand halten, Hände waschen, Maske tragen – seit Beginn der SARS-CoV-2-Pandemie sind solche Schutzmaßnahmen an der Tagesordnung. Doch entsprechende Produkte oder Verfahren sind nicht für jeden geeignet, oft nicht verfügbar oder bergen trotz allem ein Restrisiko. Der Bedarf nach neuen, besseren Lösungen ist hoch. Aber Not macht bekanntlich erfinderisch.

Zu Anfang der Corona-Pandemie fehlte es vor allem an ausreichend Schutzausrüstung. Eine schnelle Lösung bot der 3D-Druck, mit dem beispielsweise Gesichtsvisiere in großer Stückzahl und meist direkt am Einsatzort hergestellt werden konnten. Laut dem Europäischen Patentamt avancierte die additive Fertigungstechnik seither zu einem der bedeutendsten Industriezweige der Welt.

Masken sind mittlerweile zu einem steten Begleiter in unser aller Alltag geworden. Es ist also nicht verwunderlich, dass es bereits zahlreiche innovative Weiterentwicklungen des Mund-Nasen-Schutzes gibt. So hat zum Beispiel edelweiss dentistry mit Virustatic Shield eine Art Schal, der über Mund, Nase und Ohren gezogen wird, mit einer speziellen antiviralen Beschichtung versehen. So wird nachweislich eine Übertragung von Viren über die Luft bis zu 99 Prozent verhindert. Eine Maske, die sich selbst desinfiziert, hat die Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Zusammenarbeit mit der Osmotex AG entwickelt. Mithilfe einer kleinen Batterie, Feuchtigkeit und Sauerstoff entstehen reaktive Sauerstoffspezies, die Keime abtöten. Mehr über die Selbstdesinfektion auf Knopfdruck erfahren Sie in diesem Interview.

Für Menschen, die vor allem auf nonverbale Kommunikation angewiesen sind, stellen Masken eine große Barriere dar. Dazu zählen gehörlose, schwerhörige oder an Demenz erkrankte Menschen, aber auch Kinder. Mit miama bietet die iuvas medical GmbH eine Lösung für dieses Problem. Es handelt sich um eine transparente Maske. Dabei schützt sie auch den Träger vor Viren. "Miama bietet durch die enganliegende Passform eine sehr gute Abdichtung. Die Filter weisen eine Filtrationseffizienz von 98 Prozent für NaCl-Aerosole auf. Das übertrifft den Stand der Technik", so Dr. Sebastian Hin im Interview mit MEDICA.de. Er stuft den Beitrag der innovativen Maske zur Eindämmung der Pandemie zwar als eher gering ein, betont aber einen anderen großen Vorteil: "Viel wichtiger ist, dass wesentliche Therapien und Betreuungsformen, bei denen Mimik oder menschliche Nähe essenziell sind, mit miama wieder möglich werden. Diese Therapien und die damit einhergehende Lebensqualität würden mit konventionellen Masken entfallen."

Masken allein können die Ausbreitung von Covid-19 nicht verhindern – Hygienemaßnahmen wie eine regelmäßige und gründliche Desinfektion sind ebenso wichtig. Eine Form der Verbreitung von Krankheitserregern ist die Übertragung über Oberflächen. "Wenn Pathogene dort von einer Person hinterlassen werden, können diese über mehrere Tage oder Wochen überleben und bilden ein Reservoir, aus dem eine andere Person sie aufnehmen und verbreiten kann", erklärt Prof. Wolfgang Bäumler vom Universitätsklinikum Regensburg im Interview mit MEDICA.de. Dort wird im Projekt "PACMAN" eine antimikrobiell wirksame Beschichtung für Kontaktflächen erprobt. Wie das funktioniert, erklärt Bäumler so: "Die Oberflächen werden mit einer Lösung bestrichen, die ein photodynamisches Farbstoffmolekül enthält. Sie trocknet innerhalb kurzer Zeit und bildet eine beständige, dünne Beschichtung. Wenn Licht auf die beschichtete Oberfläche fällt, entsteht direkt darüber ein hochreaktiver Sauerstoff, der Bakterien und Viren auf der Oberfläche abtötet."

Jede Wisch-Desinfektion stellt immer auch ein Risiko für den jeweiligen Mitarbeiter dar. So gewinnen Serviceroboter in diesem Kontext an Bedeutung. Im Projekt "MobDi" (Mobile Desinfektion) arbeiten zwölf Fraunhofer-Institute an neuen robotischen Lösungen für eine effiziente, aber auch schonende Desinfektion in verschiedenen Einsatzumgebungen. Dafür erforschen sie unterschiedliche Reinigungs- und Desinfektionsverfahren und deren Kombinationsmöglichkeiten. Ein Roboter könnte zum Beispiel zunächst einen Türgriff wischen und anschließend schwer zugängliche Stellen mit UV-Licht desinfizieren. Den Desinfektionsroboter Hero21, der mittels UV-C-Strahlung eigenständig Räume von Keimen befreit, haben wir bereits in diesem Interview vorgestellt.

Hauptübertragungsweg für SARS-CoV-2 ist nachweislich jedoch die respiratorische Aufnahme, also die Ansteckung über die Atemluft beziehungsweise über die von Infizierten ausgeatmeten Aerosole. Luftreiniger erfahren dank der Pandemie einen Boom. Eine solche Filteranlage ist auch der Hygiene-Air-Tower der IVAT GmbH, der mittels Vier-Stufen-Hochleistungsfilter und UV-C-Strahlung die Luft von mehr als 99,99 Prozent aller Viren reinigt. Das entspricht den Anforderungen eines Operationssaals. Laut einer Studie der Universität der Bundeswehr München sollte die Raumluft stündlich mindestens sechs Mal ausgewechselt werden – bei besonders hoher oder niedriger Luftfeuchtigkeit, geringen Temperaturen oder einem ppm-Wert von mehr als 1000 sogar noch häufiger. Die weltweit einmalige und zum Patent angemeldete Messtechnologie des Towers überwacht genau diese Parameter und passt die Luftwechselrate entsprechend an. Zudem ist der geräuscharme Tower dazu in der Lage, Räume zu kühlen oder zu heizen, Gerüche zu filtern sowie Hände und Gegenstände zu desinfizieren. Die integrierte Kamera kann für Videokonferenzen, als Personenzähler, als Wärmebildsensor oder zur Überwachung eingesetzt werden.

Der Schutzhimmel ist eine mobile Luftschleuse, die einen einzelnen Arbeitsplatz mit einem Frischluftstrom versorgt, Aerosole filtert und so eine Ansteckung mit Covid-19 verhindert. Wir berichteten in diesem Interview über die Entwicklung des Fraunhofer IBP.

Die Asklepios Klinik Nord setzt am Standort Heidelberg seit Sommer 2020 einen Hygiene-Schnellcheck ein. Eine virtuelle Schleuse überprüft mit optischen Sensoren und Künstlicher Intelligenz das Anlegen von persönlicher Schutzkleidung wie Mund-Nasen-Schutz, Handschuhe, Schutzbrille, Schutzkittel oder Kopfbedeckung. Hinweise zum korrekten Anlegen werden auf Monitoren angezeigt. Alle Bilder übersetzt die Software in 3D-Schemata, sodass die Mitarbeiter digital anonymisiert und keine persönlichen Daten gespeichert werden. Auch der Scanner PathSpot fungiert als Hygiene-Check. Er überprüft nach dem Händewaschen, wie effizient dies war. Dank Fluoreszenzspektroskopie erkennt er, ob sich noch Krankheitserreger an den Händen befinden.

Während es zu Anfang der Pandemie vor allem darum ging, den dringend notwendigen Bedarf an Schutzausrüstung zu decken, werden nun Lösungen entwickelt, die das tägliche Leben mit den neuen Anforderungen einfacher machen. Es werden herkömmliche Produkte wie Masken optimiert, effizientere Desinfektionsverfahren erforscht und Tools entwickelt, die bei der korrekten Einhaltung der Maßnahmen helfen. Alle Innovationen haben dabei eines gemeinsam: Sie schützen uns alle im hohen Maße vor einer Ansteckung mit Covid-19 und leisten einen wichtigen Beitrag zur Eindämmung der Pandemie.