Digitaler Zellzwilling eröffnet neue Ansätze in der Lungenkrebsforschung

Das neue Modell verknüpft bioelektrische Prozesse und die Dynamik des Kalziums im Zellinneren. Da Kalzium für das Überleben von Zellen entscheidend ist, bei hoher Konzentration jedoch Zelltod auslösen kann, liefert diese Simulation wichtige Hinweise für die Krebsforschung.

„Ein wesentlicher Fortschritt unseres verbesserten Zellmodells ist die detaillierte Simulation der intrazellulären Kalziumverteilung“, erklärt Christian Baumgartner. „Dabei konnten wir erstmals sehr kleine Bereiche (Mikrodomänen) berücksichtigen, an denen sich Kalzium sammelt und wo das innere Zellnetzwerk eng an die Zellhülle grenzt.“

Die Forschenden konnten zeigen, dass sogenannte CRAC-Kanäle (Calcium Release-Activated Calcium Channels) den Kalziumeinstrom an diesen Mikrodomänen regulieren. Dadurch werden Signalwege aktiviert, die den Zellzyklus steuern. Das Modell bildet Kalziumspeicher, Transportmechanismen und lokale Ausbreitungseffekte bislang unerreicht präzise ab.

Der digitale Zwilling basiert auf Hunderten mathematischer Gleichungen, die in Computersimulationen zusammengeführt werden. Damit lassen sich Wirkstoffe virtuell testen, bevor Experimente im Labor stattfinden.

• Simulationen können die Wirkung von Substanzen auf Kalziumverteilung und Ionenkanäle vorhersagen.
• Kombinationen von Eingriffen, die im Labor nur schwer nachstellbar wären, sind am Modell möglich.
• Erste Ergebnisse zeigen: Die Hemmung bestimmter CRAC-Kanäle beeinflusst die Kalziumdynamik und kann Zelltodmechanismen auslösen.

Damit eröffnet das Modell neue Wege, Medikamente gezielt auf ihr Potenzial zur Unterbrechung des Zellwachstums zu prüfen.

Noch bildet das Modell nur eine einzelne Zelle ab. Mechanismen wie Zellkommunikation in Tumoren, Metastasierung oder Vaskularisierung sind bislang nicht berücksichtigt.

Die nächsten Schritte sollen diese Dimensionen erfassen. Langfristig könnte die Anpassung an spezifische Zelllinien oder Patientendaten die Grundlage für individualisierte Therapien bilden. Auch eine Übertragung der Methodik auf andere Krebsarten wie Brust- oder Prostatakrebs ist denkbar.

Mit dem digitalen Zellzwilling eröffnet die TU Graz neue Möglichkeiten, das Verhalten von Lungenkrebszellen besser zu verstehen. Das Modell bietet Ärztinnen und Ärzten sowie Forschenden einen Ansatz, Medikamente virtuell zu testen und personalisierte Strategien in der Krebsbehandlung zu entwickeln.

MEDICA.de; Quelle: Technische Universität Graz