KI-Modell ermöglicht präzise Klassifikation von über 170 Tumorarten

Das Modell ist besonders nützlich in Fällen, in denen eine Gewebeentnahme für eine klassische histologische Analyse zu risikoreich ist. In solchen Situationen kann eine flüssige Biopsie, etwa eine Analyse von Nervenwasser, eingesetzt werden. 

„Vor dem Hintergrund einer zunehmend personalisierten, sich schnell entwickelnden Krebsmedizin ist eine präzise Diagnosestellung an einem zertifizierten Tumorzentrum wegweisend für eine erfolgreiche Behandlung“, betont Prof. Martin E. Kreis, Vorstand Krankenversorgung der Charité. 

Ein konkreter Fall zeigt den Nutzen: Eine Patientin oder ein Patient mit Doppelbildern und Hirntumor konnte ohne Operation diagnostiziert werden. Die Analyse des Hirnwassers mittels Nanopore-Sequenzierung ergab, dass es sich um ein Lymphom des zentralen Nervensystems handelte. Eine gezielte Chemotherapie wurde umgehend eingeleitet. 

PD Dr. Philipp Euskirchen vom Deutschen Konsortium für translationale Krebsforschung (DKTK) und der Charité erläutert: „Hundertausende epigenetische Modifikationen fungieren als An- und Ausschalter einzelner Genabschnitte. Ihre Muster bilden einen unverwechselbaren Fingerabdruck.“ Diese Muster sind in Tumorzellen charakteristisch verändert, eine Eigenschaft, die das KI-Modell nutzt, um Tumoren treffsicher zuzuordnen. 

Das Modell crossNN wurde mit Referenztumoren trainiert und an über 5.000 Fällen validiert. Es erreicht bei der Klassifikation von Hirntumoren eine Treffsicherheit von 99,1 Prozent. Bei Tumoren aller Organe liegt die Genauigkeit bei 97,8 Prozent. 

Dr. Sören Lukassen, Bioinformatiker am Berlin Institute of Health (BIH) in der Charité, hebt hervor: „Unser Ziel war es daher, ein Modell zu entwickeln, das Tumoren genau klassifiziert, selbst wenn nur Teile des gesamten Tumor-Epigenoms zugrunde liegen oder die Profile mit unterschiedlichen Techniken und variierender Genauigkeit erhoben wurde.“ 

Das Forschungsteam plant in Kooperation mit dem DKTK nun klinische Studien an allen acht deutschen DKTK-Standorten. Auch ein intraoperativer Einsatz von crossNN wird geprüft. Ziel ist es, die Methode in die klinische Routine zu integrieren, etwa zur schnellen, kostengünstigen Tumorbestimmung bei Operationen oder unklaren Befunden. 

MEDICA.de; Quelle: Charité – Universitätsmedizin Berlin