Können Drohnen als fliegende Ersthelfer Leben retten?

Die Forschungsgruppe um Dr. Christopher M. Smith, Klinischer Dozent für Notfallmedizin, an der University of Warwick hat gezeigt, dass Drohnen im Notfall eine entscheidende Lücke schließen können: Sie erreichen den Einsatzort deutlich früher als der Rettungsdienst – und zwar zuverlässig, autonom und sicher. Die Forschung wurde in Zusammenarbeit mit dem Welsh Ambulance Services NHS Trust durchgeführt und vom National Institute for Health and Care Research (NIHR) und Health and Care Research Wales (HCRW) finanziert.

Die Tests umfassten erstmals Flüge außerhalb der Sichtweite (BVLOS) und simulierten echte Notrufe: Eine Drohne startete automatisch nach Alarmierung, hielt Funkkontakt zur Leitstelle und übermittelte ihren Standort in Echtzeit.

Die Ergebnisse zeigen, dass die Technologie einsatzbereit ist. Das System funktioniert technisch präzise und kann Defibrillatoren in kürzester Zeit dort abliefern, wo sie gebraucht werden.

Doch die eigentliche Erkenntnis ist größer: Nicht allein die Geschwindigkeit rettet Leben, sondern die Integration in bestehende Rettungsstrukturen. Das Projekt der University of Warwick zeigt, dass genau das möglich ist: Die Drohne kommuniziert mit der Notrufzentrale, deren Mitarbeitende die Helfenden am Telefon anleiten, wann sie sich der Drohne nähern und wie sie den Defibrillator einsetzen sollen. Damit wird sie nicht als fremdes Element, sondern als aktiver Teil der Rettungskette erlebt – ein neues Glied zwischen Notruf und Rettungswagen.

So beeindruckend die Technik ist – sie allein rettet noch kein Leben. Die Warwick-Studie hat gezeigt, dass wertvolle Zeit nicht beim Flug, sondern nach der Landung verloren geht. Sobald der Defibrillator vor Ort war, zögerten viele Ersthelfende, ihn zu benutzen. In der Stresssituation fehlte Orientierung, und die Kommunikation mit der Leitstelle war oft überfordernd – etwa durch Umgebungsgeräusche oder widersprüchliche Anweisungen.

Andere Länder zeigen bereits, dass es funktioniert: In Schweden und Dänemark werden Drohnen im Rettungsdienst aktiv eingesetzt. Dort liefern sie Defibrillatoren zu realen Notfällen – teils mit Erfolgsgeschichten, die weltweit Schlagzeilen machten.

In Großbritannien steht man an der Schwelle vom Experiment zur Umsetzung. Das größte Hindernis ist nicht mehr die Technik, sondern die Regulierung. Damit Drohnen in Zukunft standardmäßig starten dürfen, braucht es Freigaben für ungeplante Flüge außerhalb der Sichtweite. Noch verhindert ein enges Regelwerk, dass sie im Ernstfall automatisch abheben dürfen.

Gleichzeitig läuft die wissenschaftliche Planung weiter: Anhand von Daten aus dem britischen Nationalen Herzstillstandsregister (OHCAO-Projekt der University of Warwick) modelliert das Warwick-Team, wo Drohnenstationen den größten Nutzen bringen – also dort, wo Rettungszeiten heute am längsten sind. Diese datenbasierte Standortlogik ist entscheidend, um das System effizient in die Notfallversorgung einzubetten.

Die Vision ist klar: Drohnen könnten die fehlende Verbindung zwischen Notruf und erster Hilfe sein – ein Bindeglied, das Sekunden in Überleben verwandelt. Aber die Forschung zeigt auch: Geschwindigkeit allein genügt nicht. Erst wenn die Technik in die menschliche Rettungskette eingebettet ist, kann sie ihr volles Potenzial entfalten.

In Zukunft könnten dieselben Systeme auch Blutkonserven, Medikamente oder Sensoren transportieren – und so die Luft zu einem neuen Versorgungsweg im Gesundheitswesen machen.

Vielleicht wird die Drohne eines Tages so selbstverständlich zum Rettungssystem gehören, wie der Defibrillator selbst – und genau dann beginnt die Zukunft der Notfallmedizin.