KI-generierte Bilder decken seltene Krankheiten auf
Die diagnostische Genauigkeit deutlich verbessern
Seltene Krankheiten stellen die Medizin immer wieder vor dasselbe Problem: Es fehlen Daten. Um Krankheiten wie die kardiale Amyloidose oder etwas häufiger auftretende Knochenmetastasen frühzeitig erkennen zu können, braucht man umfangreiche Datensätze – doch genau die gibt es kaum. Ein Forschungsteam der MedUni Wien hat einen Ansatz gefunden, das zu ändern: mit synthetischen Bilddaten, die von künstlicher Intelligenz erzeugt werden.
Themen im Beitrag:
Was kann das generative KI-Modell?
So sehen die künstlichen Bilder aus
Wie trainiert man eine KI?
Welche Szintigrafie ist real?
Qualität der Bilder aus ärztlicher Sicht
Ergebnisse der Studie
Exkurs Expertensicht
Möglichkeiten und Zukunftspläne
Was kann das generative KI-Modell?
Die Forschenden um Dr. Clemens Spielvogel (links) und Dr. David Haberl (rechts) von der Klinischen Abteilung für Nuklearmedizin (Universitätsklinik für Radiologie und Nuklearmedizin) der MedUni Wien haben in einer Studie gezeigt, dass sie mit einem generativen KI-Modell typische Bildmuster einer Erkrankung künstlich nachbilden können. Trainiert wurde das Modell mit Bildmustern aus echten Patientendaten. Mit diesen Daten können dann wiederum Algorithmen "gefüttert" werden, die für die Diagnose dieser Erkrankung genutzt werden. Dr. David Haberl spricht über die Motivation hinter der Forschung seines Teams:
So sehen die künstlich generierten Bilder aus
Die künstlich erzeugten Bilddaten zeigen Hinweise auf Knochenmetastasen und kardiale Amyloidose.
Was ist generative KI?
Generative KI ist ein Oberbegriff für Systeme, die neue Inhalte erzeugen können – Texte, Bilder oder auch medizinische Scans.
Bei der generativen KI gibt es auf der einen Seite die sprachbasierten Modelle wie ChatGPT. Auf der anderen Seite gibt es bildbasierte Modelle. Dazu gehört die Image-to-Image-Translation: Aus einem Bild wird ein anderes gemacht – wie ein CT- aus einem MRT-Bild.
Darüber hinaus können sogar voll synthetische medizinische Bilder generiert werden, wie in diesem Fall. Spielvogel konkretisiert das: "In unserem Fall sind das Szintigraphien und diese vollsynthetischen Bilddaten kann man dann verwenden, um diagnostische Modelle zu machen, zum Beispiel um Krankheiten früh zu diagnostizieren."
Wie trainiert man eine KI?
Schritt für Schritt werden die Bilder detaillierter
Szintigrafie-Scans wurden für die Trainingsdaten genutzt
Können sie erkennen, welche Szintigrafie real ist?
Die Qualität der Bilder aus ärztlicher Sicht
Wie realistisch die künstlich erzeugten Bilddaten wirklich sind, wurde mit einer verblindeten Ärztebefragung getestet. Die Ärztinnen und Ärzte konnten in rund 60 Prozent der Fälle nicht unterscheiden, ob ein Bild synthetisch oder echt war.
Die generierten Bilder sind wirklich sehr realistisch und detailgetreu, in den allermeisten Fällen konnte ich keinen Unterschied zu echten Bilddaten erkennen. Beeindruckend!
Wichtige Ergebnisse der Studie
Im Rahmen der Studie bestätigte eine unabhängige Forschungsgruppe der Universität Brescia dann die Relevanz der synthetischen Daten. Sie entwickelten das KI-System zur Erkennung von Personen mit Verdacht auf kardiale Amyloidose oder Knochenmetastasen. Anschließend wurde das System validiert.
Patientinnen und Patienten aus 4 unabhängigen Institutionen dienten als Basis für die Validierung
➔ Die Ergebnisse zeigten eine deutliche Verbesserung der diagnostischen Genauigkeit durch den Einsatz synthetischer Daten.
Exkurs Expertensicht: Stellenwert von KI in der Diagnostik
MEDICA.de: Dr. Kluge, welche Vorteile sehen Sie als Arzt in dieser neuen Möglichkeit für die Diagnose von Krankheitsbildern?
Dr. Kluge: Derzeit sehe ich keinen direkten Nutzen von KI-generierten Bilddaten in der diagnostischen Praxis. Da die Entwicklung von KI-Anwendungen in der Medizin jedoch oft durch einen Mangel an adäquaten Datensätze gehemmt wird, könnten KI-generierte, realitätsgetreue Bilder die Entwicklung diagnostischer Algorithmen beschleunigen und damit innovative Anwendungen möglich machen.
MEDICA.de: Besteht aus Ihrer Sicht das Risiko, dass sich Ärzte und Ärztinnen zu stark auf generierte Daten verlassen und ihre eigene Expertise in den Hintergrund tritt?
Dr. Kluge: Das ist sicherlich ein wichtiger Punkt und ein reales Risiko. Daher sollten Ausbildungsbetriebe und Fachgesellschaften Konzepte entwickeln, welche den Erwerb eigener diagnostischer Fertigkeiten und den kritischen Umgang mit KI-Anwendungen zum Ziel haben.
Möglichkeiten und Zukunftspläne
Die generierten Bilder helfen nicht nur bei der Datenknappheit. Sie können auch gezielt Lücken füllen, wie beispielsweise bei Patientengruppen, die in realen Datensätzen unterrepräsentiert sind.
David Haberl ergänzt, dass sich das Modell beispielsweise aber auch für die Ausbildung von Medizinstudierenden verwenden ließe, da man gezielt bestimmte Bilder mit Erkrankungen oder bestimmten Pathologien erzeugen könne. Er betont: „Synthetische Daten werden niemals reale Datensätze ersetzen können. Aber ich glaube, gerade wenn es darum geht, gezielt Datensätze zu erweitern, ist es eine vielversprechende Methode.“
Autorin: Natascha Mörs | Redaktion MEDICA.de
Seit beinah 20 Jahren schreibt und dreht die Multimedia-Redakteurin Natascha Mörs für MEDICA.de. Besonders die persönlichen Gespräche mit Expertinnen und Experten aus der Welt der Medizintechnologie über ihre praktischen und immer smarteren Lösungen liegen ihr am Herzen.