4D-Röntgendiagnostik verbessert Therapie bei Schulterinstabilitäten

„Wir kombinieren hochpräzise Röntgenvideos aus zwei Perspektiven und rekonstruieren daraus eine vierdimensionale Bewegungsanalyse – also eine 3D-Aufnahme, während sich die Schulter bewegt“, erklärt Empa-Forscher Ameet Aiyangar. 

Kern der Methode ist ein biplanares radiographisches Bildgebungssystem (DBRI), das am Schweizer Institut für Translationale und Unternehmerische Medizin (sitem-insel) in Bern in Zusammenarbeit mit dem Inselspital Bern und der Empa installiert wurde. Dabei absolvieren Probandinnen und Probanden gezielte Schulterbewegungen, die gleichzeitig aus zwei Perspektiven geröntgt werden. CT-Aufnahmen liefern zusätzlich hochauflösende 3D-Modelle der Knochen, die mithilfe anatomischer Referenzpunkte exakt verfolgt werden können. 

Die anschließende Analyse erfasst nicht nur grobe Bewegungsabläufe, sondern auch feinste Roll- und Gleitbewegungen, mit einer Genauigkeit von bis zu 0,1 Millimetern.  

„Das ist ein entscheidender Fortschritt, denn konventionelle Bewegungslabore mit Infrarotkameras und Markern auf der Haut weisen eine Ungenauigkeit von 20 bis 40 Millimeter auf – viel zu unpräzise, um Instabilitäten verlässlich zu erkennen“, so Aiyangar. 

Die neue Diagnostik bietet handfeste Vorteile für die klinische Praxis. So können Schulterinstabilitäten objektiv beurteilt und individuell behandelt werden, auf Basis quantitativer Daten statt subjektiver Einschätzungen. Das ist besonders bei chirurgischen Eingriffen relevant, die häufig nicht den gewünschten Erfolg bringen. 

„Das vermeidet unnötige chirurgische Eingriffe oder zögert sinnvolle nicht unnötig hinaus und ermöglicht so eine individuell optimierte Therapie“, erklärt Aiyangar. 

Ziel der Forschenden ist es, langfristig eine strahlenfreie Diagnostik zu ermöglichen. In einer geplanten Studie am Inselspital Bern sollen rund 40 Patientinnen und Patienten mit unbehandelter Schulterinstabilität vor und nach einer gezielten Muskelkräftigung untersucht werden. Dabei kommen muskuloskelettale Modelle zum Einsatz, die Muskelkräfte und Gelenkbelastungen einbeziehen. Auf dieser Basis soll eine dynamische, kraftgesteuerte Diagnose entwickelt werden, ohne wiederholte Röntgenaufnahmen. 

„Langfristig hoffen wir, dass unsere vierdimensionale Bewegungsanalyse ihren Weg in die klinische Praxis findet. Denn bei der Behandlung von Gelenkinstabilitäten liegt das Problem hauptsächlich in der Dynamik“, fasst Aiyangar zusammen. 

MEDICA.de; Quelle: Empa