Schneller wieder fit mit Knochenschrauben aus gespendetem Gewebe

Nach der Behandlung einer Fraktur werden häufig Schrauben zum Verbinden von Knochenfragmenten eingesetzt. Da diese jedoch oft aus Metall bestehen, beinhaltet die Nachbehandlung zum Teil weitere Operationen, was den Heilungsprozess verlängert. Hier bietet die aus menschlichem Gewebe bestehende Knochenschraube Shark Screw® große Vorteile.

Im Interview mit MEDICA.de erläutert Jürgen Ehlers, warum die Shark Screw® durch ihre Beschaffenheit eine schnellere Rehabilitation nach Frakturen unterstützt.

Herr Ehlers, was ist das Besondere an den Knochenschrauben?

Jürgen Ehlers: Knochenschrauben werden aus humanen, also menschlichem Spendergewebe gewonnen und nach einem umfangreichen Screening weiterverarbeitet. Das Besondere an den Shark-Screw®-Knochenschrauben ist, dass sie in körpereigenes Gewebe der jeweiligen zu behandelnden Person umgewandelt werden. Durch diesen Umbauprozess (Remodeling) ist die Schraube auf Röntgenbildern bereits nach einigen Monaten, spätestens nach einem Jahr, nicht oder kaum noch vom anderen Gewebe zu unterscheiden.

Wenn die Knochenschrauben im Körper platziert sind, quellen sie um zwei Prozent. Dadurch verankern sie sich in dem Defekt, in den sie eingebaut werden. Das ist sehr smart, denn so entsteht eine stabile Verbindung, ohne dass eine Metallschraube verwendet werden muss. Die Knochenschraube entwickelt den für eine schnelle knöcherne Integration wichtigen Anpressdruck an das Gewebe des Betroffenen.

Was sind die Vorteile für Patientinnen und Patienten?

Ehlers: Im Gegensatz zu einer Schraube aus Metall verbleibt die Knochenschraube im Körper. Metallschrauben müssen häufig zu einem späteren Zeitpunkt wieder entfernt werden. Dieser zweite Eingriff zur Metallentfernung mit den OP-üblichen Risiken stellt jedoch eine weitere Belastung für Patientinnen und Patienten dar. Mit der Knochenschraube bleibt das Risiko einer Infektion durch einen weiteren Eingriff aus. Weniger operative Eingriffe bedeuten auch geringere Behandlungskosten und eine Entlastung der ohnehin schon begrenzten klinischen Kapazitäten. Das macht die Schraube auch volkswirtschaftlich und für die Kostentragenden interessant.

Was sind die Vorteile für den Einsatz in der Hand- und Fußchirurgie?

Ehlers: Die Metallentfernung spielt dabei ebenfalls eine besondere Rolle, da Hände und Füße sehr filigrane Strukturen haben. Daher ist hier eine Metallschraube störender, sie ist für die Betroffenen eher spürbar als in anderen Körperregionen.

Bei diesem Eingriff ist keine Fremdkörperreaktion zu erwarten, wie sie teilweise bei vielen Metallen beobachtet werden kann. Das bringt weitere Entlastungen des Klinikpersonals mit sich, da Metallentfernungsoperation und weitere andere Begleiterscheinungen wie ärztlicher und pflegerischer Aufwand sowie zusätzliche Medikation der Wunde ersatzlos entfallen.

Wie werden die Knochenschrauben zu Gewebe?

Ehlers: Der menschliche Knochen wird, so wie wir ihn bearbeiten, aufgrund eines sehr schonenden Herstellungsprozesses weitgehend mit seinem Kanal- und Höhlensystem erhalten. Diese Struktur ist wiederum die Grundlage für den natürlichen Knochenumbauprozess. Tatsächlich handelt es sich um ein Leitsystem in Form eines Leitgitters für die am Knochenumbau beteiligten Zellen des Betroffenen. Nach dem Einbringen in den Knochen besiedeln und durchwachsen die patienteneigenen Zellen das Transplantat – die Schraube. Im Zuge des Knochenumbauvorganges wandelt sich dann die Knochenschraube von Fremdgewebe in körpereigenes Gewebe um. Bei dem sogenannten Remodeling entstehen wiederum natürliche Knochenstrukturen, die vom Gefäßsystem des Betroffenen mit Nährstoffen versorgt und vom Immunsystem gegen Infektionen verteidigt werden können.

Ehlers: Zum vollständigen Ausheilen brauchen die Knochenschrauben, genauso wie alle anderen OP-Verfahren, ihre Zeit. Die beschriebene natürliche Leitstruktur der Knochenschraube bietet den optimalen Raum für das Remodeling und fördert somit eine schnelle Integration in das Gewebe, wie eine Studie aus dem Jahr 2021 belegt.

Gibt es Potenzial für die Weiterentwicklung, um die Knochenschrauben auch in anderen Anwendungsgebieten einsetzen zu können?

Ehlers: Tatsächlich ist das Potenzial da und wird auch schon genutzt. In Österreich wird die Shark Screw® von unserem Partner surgebright bereits sehr viel breiter und umfassender eingesetzt als bisher in Deutschland. Beispielsweise kommt sie dort bereits in der Schulter, den Ellbogen, den Knien und auch in der Kinderchirurgie zum Einsatz.

Um das auch in Deutschland zu ermöglichen, werden zunächst Daten benötigt, um bei der zuständigen Behörde – in diesem Fall dem Paul-Ehrlich-Institut – eine Indikationserweiterung zu beantragen und genehmigen zu lassen. Erst dann ist es uns möglich, ohne Verletzung des Heilmittelwerbegesetzes ganz gezielt auf diese Indikationen hinzuweisen. Das liegt daran, dass die Knochenschrauben in Deutschland als Gewebezubereitungen unter das Arzneimittelgesetz fallen und deswegen sehr strikt reguliert sind.

Gibt es weitere neue Produkte am DIZG, die Vorteile für eine Rehabilitation nach einer Verletzung bringen? Beispielsweise aus dem Bereich der Sportmedizin?

Ehlers: Eine andere Innovation, die wir jetzt rausbringen, ist tatsächlich der erste allogene Meniskusteilersatz in Deutschland. Wir haben in Deutschland pro Jahr circa 80.000 Meniskusverletzungen, die mit starken Schmerzen und Bewegungseinschränkungen einhergehen. Ein deutlicher Teil davon erfordert die Entfernung des Meniskus oder eben ein Nähen oder eine Rekonstruktion des Gewebeschadens, da ein Teil des Meniskus fehlt. Dieses fehlende Teil können wir mittlerweile ersetzen – und das gibt es bisher in Deutschland nicht. Bislang konnte das DIZG bereits rund 100 Patientinnen und Patienten erfolgreich weiterhelfen und das Risiko eines späteren künstlichen Kniegelenkes entsprechend reduzieren.